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Mittwoch, 29. Juni 2011

Nimm deine Farben

es ist gut
wie sich die Tage erheben

du stellst dich
mitten hinein
mit ausgebreitetem Herz
und Geduld
an den Händen

es ist gut
wie sich Tag an Tag reiht
in engste Muster

manchmal
schimmert
was dich gehend macht

nimm
deinen Platz
und färbe ihn

mit Liebe

                                                    - Ute Sunke -

Dienstag, 28. Juni 2011

Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
und der Anzug im Schrank.
Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.
Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muss, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.
Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
geht es um dich oder ihn.
Dein eignen Schatten nimm
zum Weggefährten.
Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruss mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
unter dem Dach im Einstweilen.
Zerreiss deine Pläne. Sei klug
und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
im grossen Plan.
Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.

(Mascha Kaleko)

Montag, 27. Juni 2011

Kleine Selbsterforschung

Auf welchen Schultern stehst du?
In wessen Spuren gehst du?
Mit welchen Augen siehst du?
In welchen Büchern liest du?

Mit welchem Segen lebst du?
An welchen Plänen webst du?
An welchen Orten weilst du?
Und wessen Leben teilst du?

(Klaus Nagorni)

 

Sonntag, 26. Juni 2011

Kinder werden als Riesen geboren,
Doch mit jedem Tag, der dann erwacht,
Geht ein Stück von ihrer Kraft verloren,
Tun wir etwas, das sie kleiner macht.
Kinder versetzen so lange Berge,
Bis der Teufelskreis beginnt,
Bis sie wie wir erwachs'ne Zwerge
Endlich so klein wie wir Großen sind!
Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!
Freiheit ist für dich durch nichts ersetzbar,
Widerspruch ist dein kostbarstes Gut.
Liebe macht dich unverletzbar
Wie ein Bad in Drachenblut.
Doch pass auf, die Freigeistfresser lauern
Eifersüchtig im Vorurteilsmief,
Ziehen Gräben und erdenken Mauern
Und Schubladen, wie Verliese so tief.
Du bis ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!
Keine Übermacht könnte dich beugen,
Keinen Zwang wüsst’ ich, der dich einzäunt.
Besiegen kann dich keiner, nur überzeugen.
Max, ich wär so gern dein Freund,
Wenn du morgen auf deinen Reisen
Siehst, wo die blaue Blume wächst,
Und vielleicht den Stein der Weisen
Und das versunkene Atlantis entdeckst!
Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!

(Reinhard Mey)

Laß es zu

Laß es zu
daß du dich schwach fühlst und beschämend klein
Laß es zu
wie eine Schnecke ohne Haus zu sein
Laß es zu
daß jeder sieht, du bist kein großer Held
und laß es zu
daß dir dein kleines Leben doch gefällt

Laß es zu
daß du dich schön fühlst wie ein Märchenschloß
Laß es zu
und ziehe unbesorgt dein großes Los
Laß es zu
daß jeder sieht, wie dir die Freude steht
und laß es zu
daß jede gute Zeit vergeht

Laß es zu
daß du vor Liebe fast in Stücke brichst
Laß es zu
daß du vor Sehnsucht dumme Worte sprichst
Laß es zu
daß man dir tief in deine Seele schaut
und laß es zu
daß sie sich frei zu andern Menschen traut
Laß es zu
wenn man dir weh tut, deinen Stolz verletzt
Laß es zu
wenn deine Wut, dein Zorn sich widersetzt
Laß es zu
doch nimm die Waffe trotzdem nicht zur Hand
ja, laß es zu
steh mit dem Rücken ruhig zur Wand

Laß es zu
dein Weinen, Lachen, deine Fröhlichkeit
Laß es zu
daß zwischen Tränen dich die Sonne freut
Laß es zu
daß du an einem Abend sterben willst
und laß es zu
daß du am nächsten Morgen Kräfte fühlst
Laß es zu
daß die Enttäuschung dich nicht mürbe macht
Laß es zu
daß deine Skepsis deinen Wunsch bewacht
Laß es zu
daß du ein Mensch bist und kein Wundertier
Laß es zu
dein Leben - heute, jetzt und hier.

(Erika Pluhar)

Samstag, 25. Juni 2011

bewegt um zu bewegen

nicht mehr zuschauer sein
zupacken hand anlegen
den stein ins rollen bringen
bewegen wollen
machen tun
aber wenn ich bewegen will
muss ich bewegt sein
mich in das geheimnis geben
mutig sein
und mich verwandeln lassen
und den harten steinen trotzen
und dem langen atem trauen
und noch träumen können
und sehnsüchtig sein
und lieben lieben lieben
verletzbar und
verwundbar bleiben
leicht und fragil
und doch entschieden
frei
bewegt um zu bewegen
den stein aufweichen
und sei es mit tränen
zart bleiben
und sei es im zorn
aber
die dinge von innen bewegen

(Andrea Schwarz)

Mittwoch, 22. Juni 2011

Rosen sommerhoch.....

Dennoch Rosen
sommerhoch
Schmetterlinge
Möwenschwingen
überm Fluß
Nein
ich vergesse nicht
die eingebrannten Jahre
ich vergesse nicht
daß Stiefel
den Regenbogen zertraten
daß sie sich rüsteten
uns zu verwandeln in
Feuerrosen Feuerfalter Feuerschwingen
dennoch sommerhoch
der Duft
die Doppelflügel überm Fluß
das Gold auf meiner Haut
und die toten Rosen
nach der Nacht


(Rose Ausländer)

Dienstag, 21. Juni 2011

Hier

Hier
gekrümmt
zwischen zwei Nichtsen,
sage ich Liebe.
Hier, auf dem
Zufallskreisel
sage ich Liebe.
Hier, von den hohlen
Himmeln bedrängt,
an Halmen
des Erdreichs mich haltend,
hier, aus dem
Seufzer geboren,
von Abhang
und Abhang gezeugt,
sage ich Liebe.

(Ernst Meister)

Samstag, 18. Juni 2011

But now you awaken,
and you are tired of this dream.
Turn toward the sad-eyed man.
He stayed by you all the night.
You will have something
to say to him

(Leonard Cohen)
Alles beginnt mit der Sehnsucht,
immer ist im Herzen Raum für mehr,
für Grösseres, für Schöneres.

(Nelly Sachs)

Du musst
mich mich sein lassen.
Ich muss
dich dich sein lassen.
Nur das Miteinander,
das dürfen wir nie sein lassen.

(Ernst Ferstl)

Donnerstag, 16. Juni 2011

"Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern."

(Astrid Lindgren)

Mittwoch, 15. Juni 2011

Sonntag, 12. Juni 2011

The moment when, after many years
of hard work and a long voyage
you stand in the centre of your room,
house, half-acre, square mile, island, country,
knowing at last how you got there,
and say, I own this,
is the same moment when the trees unloose
their soft arms from around you,
the birds take back their language,
the cliffs fissure and collapse,
the air moves back from you like a wave
and you can't breathe.
No, they whisper. You own nothing.
You were a visitor, time after time
climbing the hill, planting the flag, proclaiming.
We never belonged to you.
You never found us.
It was always the other way round.

(Margaret Atwood)

Das ganze schrecklich schöne Leben

Is there anybody out there?

Donnerstag, 9. Juni 2011

Auch ungelebtes Leben geht zu Ende
zwar vielleicht langsamer, wie eine Batterie
in einer Taschenlampe, die keiner benutzt
Aber das hilft nicht viel:
Wenn man (sagen wir einmal) diese Taschenlampe
nach so- und sovielen Jahren anknipsen will
kommt kein Atemzug Licht mehr heraus
Und wenn du sie aufmachst,
findest du nur deine Knochen
und falls du Pech hast
auch diese schon ganz zerfressen

Da hättest du genau so gut
leuchten können


(Erich Fried)

Mittwoch, 8. Juni 2011


Was nützt mir die Welt
wenn die Sinne sich nicht öffnen
die Augen verklebt sind und
die Hand nicht loslässt
Neues zu fassen
wenn ich nicht entbrennen kann
in Liebe zu einem
einzigen Stein

  (Eveline Hasler)


Dienstag, 7. Juni 2011

Expect nothing. Live frugally
On surprise.
become a stranger
To need of pity
Or, if compassion be freely
Given out
Take only enough
Stop short of urge to plead
Then purge away the need.

Wish for nothing larger
Than your own small heart
Or greater than a star;
Tame wild disappointment
With caress unmoved and cold
Make of it a parka
For your soul.

Discover the reason why
So tiny human midget
Exists at all
So scared unwise
But expect nothing. Live frugally
On surprise.

(Alice Walker)


Rufe nicht

lege den finger auf den mund.
rufe nicht.
bleibe stehen am wegrand.
vielleicht solltest du dich hinlegen
in den staub.
dann siehst du in den himmel
und bist eins mit der strasse,
und wer sich umdreht nach dir
kann gehen als lasse er niemand zurück.
es geht sich leichter fort,
wenn du liegst als wenn du stehst,
wenn du schweigst als wenn du rufst.
sieh die wolken ziehn.
sei bescheiden, halte nichts fest.
sie lösen sich auf.
auch du bist sehr leicht.
auch du wirst nicht dauern.
es lohnt sich nicht angst zu haben
vor verlassenheit,
wenn schon der wind steigt
der die wolke verweht

-hilde domin

Sonntag, 5. Juni 2011


sonne
die täglich
den tag
an den tag bringt
und hoffnung
auf bessere tage
falls nicht
die jetzigen schon
die besseren sind

(-kurt marti)

Samstag, 4. Juni 2011

This is my heart

This is my heart. It is a good heart.
Bones and a membrane of mist and fire
are the woven cover.
When we make love in the flower world
my heart is close enough to sing
to yours in a language that has no use
for clumsy human words.
My head is a good head, but it is a hard head
and it whirs inside with a swarm of worries.
What is the source of this singing, it asks
and if there is a source why can't I see it
right here, right now
as real as these hands hammering
the world together
with nails and sinew?
This is my soul. It is a good soul.
It tells me, "come here forgetful one."
And we sit together with a lilt of small winds
who rattle the scrub oak.
We cook a little something
to eat: a rabbit, some sofkey
then a sip of something sweet
for memory.
This is my song. It is a good song.
It walked forever the border of fire and water
climbed ribs of desire to my lips to sing to you.
Its new wings quiver with
vulnerability.
Come lie next to me, says my heart.
Put your head here.
It is a good thing, says my soul.


~ Joy Harjo ~

Nicht gesagt

Nicht gesagt
Was von der Sonne zu sagen gewesen wäre
Und vom Blitz nicht das einzig richtige
Geschweige denn von der Liebe.
Versuche. Gesuche. Misslungen
Ungenaue Beschreibung
Weggelassen das Morgenrot
Nicht gesprochen vom Sämann
Und nur am Rande vermerkt
Den Hahnenfuss und das Veilchen.
Euch nicht den Rücken gestärkt
Mit ewiger Seligkeit
Den Verfall nicht geleugnet
Und nicht die Verzweiflung
Den Teufel nicht an die Wand
Weil ich nicht an ihn glaube
Gott nicht gelobt
Aber wer bin ich dass

(M.L. Kaschnitz)

Freitag, 3. Juni 2011