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Montag, 14. Januar 2013


Anche tu sei l'amore.

Sei di sangue e di terra
come gli altri.

Cammini
come chi non si stacca
dalla porta di casa.
Guardi come chi attende
e non vede.

Sei terra
che dolora e che tace.
Hai sussulti e stanchezze,
hai parole - cammini
in attesa. L'amore
è il tuo sangue - non altro

(Cesare Pavese)


You, too, are love. You're made of blood and earth like the others. But you walk like someone who never leaves the door of her house. You gaze like someone who waits too intently to see. You are the earth that grieves and is silent. 

Yet something heaves in you, something gets tired, something makes words. You walk even though you're standing still. What you must learn is that love is your own blood. It can be nothing else. 

(Cesare Pavese)


Was wahr ist


Was wahr ist, streut nicht Sand in deine Augen,
was wahr ist, bitten Schlaf und Tod dir ab
als eingefleischt, von jedem Schmerz beraten,
was wahr ist, rückt den Stein von deinem Grab.

Was wahr ist, so entsunken, so verwaschen
in Keim und Blatt, im faulen Zungenbett
ein Jahr und noch ein Jahr und alle Jahre-
was wahr ist, schafft nicht Zeit, es macht sie wett.

Was wahr ist, zieht der Erde einen Scheitel,
kämmt Traum und Kranz und die Bestellung aus,
es schwillt sein Kamm und voll gerauften Früchten
schlägt es in dich und trinkt dich gänzlich aus.

Was wahr ist, unterbleibt nicht bis zum Raubzug,
bei dem es dir vielleicht ums Ganze geht.
Du bist sein Raub beim Aufbruch deiner Wunden;
nichts überfällt dich, was dich nicht verrät.

Es kommt der Mond mit den vergällten Krügen.
So trink dein Maß. Es sinkt die bittre Nacht.
Der Abschaum flockt den Tauben ins Gefieder,
wird nicht ein Zweig in Sicherheit gebracht.

Du haftest in der Welt, beschwert von Ketten,
doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand.
Du wachst und siehst im Dunkeln nach dem Rechten,
dem unbekannten Ausgang zugewandt.

(Ingeborg Bachmann)

Sonntag, 13. Januar 2013




Stille weht in das Haus,
fühlst du den Atem des Mondes,
löse dein Haar,
lege dein Haupt
in den Blauschein hinaus.
Hörst du, das Meer unten am Strand
wirft die Schätze an Land;
sonst wuchsen im Mond Wünsche, -
ein Heer,
seit ich dein Auge gesehn,
ist die Mondnacht wunschleer.

(Max Dauthendey)

Samstag, 12. Januar 2013


Meine Mutter


War sie der große Engel,
Der neben mir ging?

Oder liegt meine Mutter begraben
Unter dem Himmel von Rauch -
Nie blüht es blau über ihrem Tode.

Wenn meine Augen doch hell schienen
Und ihr Licht brächten.

Wäre mein Lächeln nicht versunken im Antlitz,
Ich würde es über ihr Grab hängen.

Aber ich weiß einen Stern,
Auf dem immer Tag ist;
Den will ich über ihre Erde tragen.

Ich werde jetzt immer ganz allein sein
Wie der große Engel,
Der neben mir ging.

(Else Lasker-Schüler)




Strange as it may seem
I still hope for the best
even though the best
like an interesting piece of mail
so rarely arrives
and even when it does 
it can be lost so easily 

(Lemony Snicket)

Freitag, 11. Januar 2013


Geduld ist für den Geist das Schwerste. Es ist das Schwerste und ist das Einzige, was zu lernen sich lohnt. Alle Natur, alles Wachstum, aller Friede, alles Gedeihen und Schöne in der Welt beruht auf Geduld, braucht Zeit, braucht Stille, braucht Vertrauen, braucht den Glauben an langfristige Dinge und Prozesse von viel längerer Dauer, als ein einzelnes Leben dauert, Glauben an Zusammenhänge und Dinge, die keiner Einsicht eines Einzelnen zugänglich sind. Geduld' sage ich, und könnte ebenso gut sagen Glauben, Gottvertrauen, Weisheit, Kindlichkeit, Einfalt."

(Hermann Hesse)

Mittwoch, 9. Januar 2013

Remember
we all stumble 
every one of us. 

That's why 
it is a comfort 
to go hand in hand.

(Emily Kimbrough)


Stell dich mitten in den Regen,
glaub an seinen Tropfen Segen.
Spinn dich in das Rauschen ein
und versuche gut zu sein.

Stell dich mitten in den Wind
glaub an ihn und sei ein Kind.
Lass den Sturm in dich hinein
und versuche gut zu sein.

Stell dich mitten in das Feuer,
glaub an dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein
und versuche gut zu sein.

(Wolfgang Borchert)

Dienstag, 8. Januar 2013

Sprachlos


Erst kennt man sich mit den Worten nicht aus
Und später nicht mehr mit dem Leben.
Noch immer ist es das selbe Haus.
Doch nun sieht man den Abgrund daneben.

Also wie sich halten? Von Tag zu Tag
Seine Pflicht tun. Doch was ist die Pflicht?
Wir sind nicht mehr sicher. Wir urteilen zag.
Und was kommt, das wissen wir nicht.

Von Altersweisheit keine Spur.
Der Sinn ist nicht zu verstehen.
Eine kleine Güte. Ein Lächeln nur.
Und einfach weitergehen.

(Eva Strittmatter)

Montag, 7. Januar 2013







I believe in everything until it's disproved. 
So believe in fairies, the myths, dragons. 
It all exists, even if it's in your mind. 
Who's to say that dreams and nightmares 
aren't as real as the here and now? 

(John Lennon)

Verschneit der Weg,
Vom Wind verweht.
Wegweiser stehn und weisen,
Wo meine Strasse geht.
So still der Wald,
In weissen Schleiern
Still und kalt.
Schneeflocken wehen durch die Luft –
Kein Menschenlaut,
Kein Vogel ruft.
Der Schnee webt mir ein weisses Kleid,
Ich wandre still, ich wandre weit,
Mag keinen Weiser am Wege sehn,
Mag meine eigene Strasse gehn
Im weissen Winterfrieden.

 (Thekla Lingen)

Sonntag, 6. Januar 2013

Winter



Ich werde den Ahorn wiederfinden.
Einmal am Ende der Tage
wird es sein, dass ich zu ihm sage:
Ahorn, wo warst du so lang?
Er ist alt und selig geworden,
er nimmt mich in seine Äste,
er wiegt mich im herbstlichen Neste:
Kind, wo warst du so lang?

(Ina Seidel)


Samstag, 5. Januar 2013


The Bodies of Grownups


The bodies of grownups
come with stretchmarks and scars,
faces that have been lived in,
relaxed breasts and bellies,
backs that give trouble,
and well-worn feet:
flesh that is particular,
and obviously mortal.
They also come
with bruises on their hearts,
wounds they can't forget,
and each of them
a company of lovers in their soul
who will not return
and cannot be erased.
And yet I think there is a flood of beauty
beyond the smoothness of youth;
and my heart aches for that grace of longing
that flows through bodies
no longer straining to be innocent,
but yearning for redemption.

(Janet Morely)

Freitag, 4. Januar 2013



“und NICHTS gerät

im Alphabet der ANGST

so hundeköpfig plump

und gleichzeitig EIDECHSIG zart

wie die Gegenwart”


(Herta Müller)


Regen

Der Regen geht als eine alte Frau
mit stiller Trauer durch das Land.
Ihr Haar ist feucht, ihr Mantel grau,
und manchmal hebt sie ihre Hand

und klopft verzagt an Fensterscheiben,
wo die Gardinen heimlich flüstern.
Das Mädchen muss im Hause bleiben
und ist doch grade heut so lebenslüstern!

Da packt der Wind die Alte bei den Haaren,
und ihre Tränen werden wilde Kleckse.
Verwegen lässt sie ihre Röcke fahren
und tanzt gespensterhaft wie eine Hexe!

(Wolfgang Borchert)

Donnerstag, 3. Januar 2013

STARFISH

This is what life does. It lets you walk up to
the store to buy breakfast and the paper, on a
stiff knee. It lets you choose the way you have
your eggs, your coffee. Then it sits a fisherman
down beside you at the counter who says, Last night
the channel was full of starfish. And you wonder,
is this a message, finally, or just another day?

Life lets you take the dog for a walk down to the
pond, where whole generations of biological
processes are boiling beneath the mud. Reeds
speak to you of the natural world: they whisper,
they sing. And herons pass by. Are you old
enough to appreciate the moment? Too old?
There is movement beneath the water, but it
may be nothing. There may be nothing going on.

And then life suggests that you remember the
years you ran around, the years you developed
a shocking lifestyle, advocated careless abandon,
owned a chilly heart. Upon reflection, you are
genuinely surprised to find how quiet you have
become. And then life lets you go home to think
about all this. Which you do, for quite a long time.

Later, you wake up beside your old love, the one
who never had any conditions, the one who waited
you out. This is life's way of letting you know that
you are lucky. (It won't give you smart or brave,
so you'll have to settle for lucky.) Because you
stopped when you should have started again.

So life lets you have a sandwich, and pie for your
late night dessert. (Pie for the dog, as well.) And
then life sends you back to bed, to dreamland,
while outside, the starfish drift through the channel,
with smiles on their starry faces as they head
out to deep water, to the far and boundless sea.

(Eleanor Lerman)

Mittwoch, 2. Januar 2013


Eine Neujahrsansprache


Jeder Mensch höre auf sein Gewissen! Das ist möglich. Denn er besitzt eines. Diese Uhr kann man weder aus Versehen verlieren noch mutwillig zertrampeln. Diese Uhr mag leiser oder lauter ticken – sie geht stets richtig.
Nur wir gehen manchmal verkehrt.

Jeder Mensch suche sich Vorbilder! Denn es existieren welche. Und es ist unwichtig, ob es sich dabei um einen großen toten Dichter, um Mahatma Gandhi oder um Onkel Fritz aus Braunschweig handelt, wenn es nur ein Mensch ist, der im gegebenen Augenblick ohne Wimpernzucken das gesagt und getan hätte, wovor wir zögern. Das Vorbild ist ein Kompass, der sich nicht irrt und uns Weg und Ziel weist.

Jeder Mensch gedenke immer seiner Kindheit! Das ist möglich. Denn er hat ein Gedächtnis. Die Kindheit ist das stille, reine Licht, das aus der eigenen Vergangenheit tröstlich in die Gegenwart und Zukunft hinüberflutet. Sich der Kindheit wahrhaft erinnern, das heißt: plötzlich und ohne langes Überlegen wieder wissen, was echt und falsch, was gut und böse ist. Die meisten vergessen ihre Kindheit wie einen Schirm und lassen sie irgendwo in der Vergangenheit stehen. Und doch können nicht vierzig, nicht fünfzig spätere Jahre des Lernens und Erfahrens den seelischen Feingehalt des ersten Jahrzehnts aufwiegen. Die Kindheit ist unser Leuchtturm.

Jeder Mensch erwerbe sich Humor! Das ist nicht unmöglich. Denn immer und überall ist es einigen gelungen. Der Humor rückt den Augenblick an die richtige Stelle. Er lehrt uns die wahre Größenordnung und die gültige Perspektive. Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selber bescheiden. Das ist viel.
Bevor man das Erb- und Erzübel, die Eitelkeit, nicht totgelacht hat, kann man nicht beginnen, das zu werden, was man ist: ein Mensch.“

(Erich Kästner)