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Freitag, 22. Februar 2013

Traurigkeit die jeder kennt


Man weiß von vornherein, wie es verläuft.
Vor morgen früh wird man bestimmt nicht munter.
Und wenn man sich auch noch so sehr besäuft:
die Bitterkeit, die spült man nicht hinunter.

Die Trauer kommt und geht ganz ohne Grund.
Und angefüllt ist man mit nichts als Leere.
Man ist nicht krank. Und ist auch nicht gesund.
Es ist, als ob die Seele unwohl wäre.

Man will allein sein. Und auch wieder nicht.
Man hebt die Hand und möchte sich verprügeln.
Vorm Spiegel denkt man: "Das ist dein Gesicht?"
Ach, solche Falten kann kein Schneider bügeln.

Vielleicht hat man sich das Gemüt verrenkt?
Die Sterne ähneln plötzlich Sommersprossen.
Man ist nicht krank. Man fühlt sich nur gekränkt.
Und hält, was es auch sei, für ausgeschlossen.

Man möchte fort und findet kein Versteck.
Es wäre denn, man ließe sich begraben.
Wohin man blickt, entsteht ein dunkler Fleck.
Man möchte tot sein. Oder Gründe haben.

Man weiß, die Trauer ist sehr bald behoben.
Sie schwand noch jedes Mal, so oft sie kam.
Mal ist man unten, und mal ist man oben.
Die Seelen werden immer wieder zahm.

Der Eine nickt und sagt: "So ist das Leben."
Der andre schüttelt seinen Kopf und weint.
Wer traurig ist, sei´s ohne Widerstreben!
Soll das ein Trost sein? So war´s nicht gemeint.

(Erich Kästner)


Hold with both hands
The tray of every day
And pass in turn
Along this counter.

 There is enough sun
For everybody.
There is enough sky,
And there is moon enough.

The earth gives off the smell
Of luck, of happiness, of glory,
Which tickles your nostrils
Temptingly.

So don’t be miserly,
Live after your own heart.
The prices are derisory.

For instance, with only one life
You can acquire
The most beautiful woman,
Plus a biscuit.


(Marin Sorescu)

Über Liebe kann man nicht schreiben.
 Man liebt oder lässt es bleiben.
In Worte lässt sich Liebe nicht fassen.
Man kann sie nur leben oder lassen.
Liebe entzieht sich dem Sagen.
Man hat nur die Wahl: Kopf oder Kragen.

 (Robert Gernhardt)

Donnerstag, 21. Februar 2013

Alone


To be always visible – to live
in a swarm of eyes -
a special expression must develop.
Face coated with clay.

 The murmuring rises and falls
while they divide up among themselves
the sky, the shadows, the sand grains.

 I must be alone
ten minutes in the morning
and ten minutes in the evening.
- Without a programme.

Everyone is queuing at everyone’s door.

Many.

One.

(Tomas Tranströmer)

Mittwoch, 20. Februar 2013

Am Meerufer


Und Welle kommt und Welle flieht,
Und der Wind stürzt sein Lied,
Schaumwasser spielt an deine Schuhe
Knie nieder, Wandrer, ruhe.
Es wälzt das Meer zur Sonne hin,
Und aller Himmel blüht darin.
Mit welcher Welle willst du treiben?
Es wird nicht immer Mittag bleiben.
Es braust ein Meer zur Ewigkeit,
In Glanz und Macht und Schweigezeit,
Und niemand weiß wie weit –
Und einmal kommst du dort zur Ruh,
Lebenswanderer, Du.

(Gerrit Engelke)


To be nobody-but-yourself—in a world which is doing its best, night and day, to make you everybody else— means to fight the hardest battle which any human being can fight: and never stop fighting.

(E. E. Cummings)

Dienstag, 19. Februar 2013

Iguanas




hausordnung

kein unglück auslassen
und jede geschichte zu ende
erzählen. tücher über die spiegel
hängen; die messer unter
den tisch. die eule trösten und
die fledermaus tranchieren.
nie die wut verlieren, was auch
geschieht. jeden einlassen,
wer auch kommt.

(hans-ulrich treichel)




Birds













A bird doesn't sing 
because it has an answer
it sings because it has a song."
(Maya Angelou)

Montag, 18. Februar 2013

Sonntag, 17. Februar 2013

The bridge


Between now and now,
between I am and you are,
the word bridge.

Entering it
you enter yourself:
the world connects
and closes like a ring.

From one bank to another,
there is always
a body stretched:
a rainbow.
I'll sleep beneath its arches. 

(Octavio Paz)





Einer weiss um mich.
Er ist in meinem Herzen gewesen
Und hat die Inschriften
Seiner Wände gelesen.
Er deutete mir
Die Hieroglyphen:
Waage und Fisch und Dreieck und Baum.
Er sagte: mein Herz wäre seine Pyramide
Und er schliefe in ihr
Seinen Pharaonentraum.

(Elisabeth Paulsen)

Samstag, 16. Februar 2013

If each day falls within each night
there is a well
where clarity is revealed
sitting
by the edge of the well
of shadow
one can fish
for fallen light
with
patience

(Pablo Neruda)

Freitag, 15. Februar 2013



Had I not created my own world, 
I would certainly have died in other people's.
  
(~ Anais Nin)

Singapore


leute
ich kenne euch nicht
ich sage das und höre mir zu
verschwinde im wort und durch
das wort werde ich ort und
vielleicht werde ich tor und haus
und raum während draussen
ein anderes gedicht
die treppe mauert

(lisa elsässer)




Donnerstag, 14. Februar 2013


Die Sesshaften

Oft beunruhigt sie das Glück, 
sesshaft geworden zu sein. 
Sie planen Umzüge, Reisen, 
wechseln das Stammlokal, 
wechseln die Stellung, 
den Standpunkt, die Frau. 

Sie träumen von fremden Ländern 
und hoffen, in anderen Räumen 
verändert zu erwachen. 

Sie suchen den neuen Spiegel 
für ihr altes Gesicht 
und sehnen sich manchmal 
nach Feuersbrünsten, 
ohne versichert zu sein. 

(Wolfgang Bächler)


Mittwoch, 13. Februar 2013

In many shamanic societies, if you came to a shaman or medicine person complaining of being disheartened, dispirited, or depressed, they would ask one of four questions. 
When did you stop dancing? 
When did you stop singing? 
When did you stop being enchanted by stories? 
When did you stop finding comfort in the sweet territory of silence?

(Gabrielle Roth)

Asia











ich gehe in meiner gespiegelten welt
fusslos spazieren
fliege wie einst als kind
von stern zu stern
und hole mir manchen ins bett
mit dem mann im mond
habe ich mich befreundet
wir spielen prinz und prinzessin
so hebt mich die zeit
jahr um jahr
aus dem nüchternen sattel

(rose ausländer)

Dienstag, 12. Februar 2013



landschaft dulde mich
eine menschenzeit
besänftige mein ungestüm
den wellenschlag meiner tage

still werden
nur kurzen schatten werfen
damit das zwiegespräch
nicht abreisst zwischen
berg und see
wiese und baum

morgen- und abendlicht
weben an mir
legen an die tage
saum über meine
spanne hinaus

(Eveline Hasler)