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Samstag, 16. November 2013

Du warst so müde
dass ich stumm blieb

Nicht wissend
dass ein Wort
meiner Hände
genügt hätte

(Heinz Janisch)


Und doch, wenn du lange gegangen bist, 
bleibt das Wunder nicht aus, 
weil das Wunder immer geschieht, 
und weil wir ohne die Gnade 
nicht leben können: 
die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags, 
du bläst sie lächelnd aus 
wenn du in die Sonne trittst 
und unter den blühenden Gärten 
die Stadt vor dir liegt, 
und in deinem Hause 
dir der Tisch weiss gedeckt ist. 
Und die verlierbaren Lebenden 
und die unverlierbaren Toten 
dir das Brot brechen und den Wein reichen - 
und du ihre Stimmen wieder hörst 
ganz nahe 
bei deinem Herzen. 


(Hilde Domin)

Freitag, 15. November 2013


Tagespensum

Einen Teig geknetet.
Die Katze gefüttert.
In Ecken geleuchtet.
Freundschaft
mit der Stille
geschlossen.
Mit Lesen
Hunger gestillt.
Die Nacht in
Ruhe gewickelt.

(Frauke Ohloff)

Donnerstag, 14. November 2013



Eine Insel erfinden,
allfarben
wie das Licht. 
In seinem Schatten
willkommen heissen
die Erde.
Sie bitten, uns aufzunehmen
in Gärten,
wo wir wachsen dürfen,
brüderlich,
Mensch an Mensch.

(Rose Ausländer)

Mittwoch, 13. November 2013


Was vergangen ist fehlt mir nicht
ich misstraue der Schönheit
von gestern
nur Träume
sind schwer beim Erinnern
wenn die Kälte zunimmt, das Dunkel
und die Leere
zwischen dem Augenblick
und dem Entwurf.

 (Ingibjörg Haraldsdóttir)

Dienstag, 12. November 2013


Gedichte

Leben, 
in Bernstein geborgen, 
begraben. 

Narben, 
berührbar, 
unverletzlich. 

Aufgezeichnete 
Zeit im Werden. 
Kreide oder Achat.

(Christina Busta)


Montag, 11. November 2013

Novembergedanken

Manchmal
überkommt mich November
mit Dunkelheit und Kälte
fall ich ins Nebelland
falle zurück
Manchmal
ist mir nach Mai
nach Lachen und Aufbruch
fall ich unter die Sonne
falle ins Glück
manchmal
weiß ich  nicht wo ich stehe
ob  im November  im Mai
fühle Mai im November
fühle November im Mai

(Annemarie Schnitt)

Sonntag, 10. November 2013

 Manchmal spricht ein Baum
durch das Fenster mir Mut zu
Manchmal leuchtet ein Buch
als Stern auf meinem Himmel
manchmal ein Mensch,
den ich nicht kenne,
der meine Worte erkennt.

(Rose Ausländer)
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Botschaften des Regens

Nachrichten, die für mich bestimmt sind,
weitergetrommelt von Regen zu Regen,
von Schiefer- zu Ziegeldach,
eingeschleppt wie eine Krankheit,
Schmuggelgut, dem überbracht,
der es nicht haben will -

jenseits der Wand schallt das Fensterblech,
rasselnde Buchstaben, die sich zusammenfügen,
und der Regen redet
in der Sprache, von welcher ich glaubte,
niemand kenne sie außer mir -

Bestürzt vernehme ich
die Botschaften der Verzweiflung,
die Botschaften der Armut
und die Botschaften des Vorwurfs.
Es kränkt mich, daß sie an mich gerichtet sind,
denn ich fühle mich ohne Schuld.

Ich spreche es laut aus,
daß ich den Regen nicht fürchte und seine Anklagen
und den nicht, der sie mir zuschickte,
dass ich zu guter Stunde
hinausgehen und ihm antworten will.

(Günter Eich)

Samstag, 9. November 2013








Wir
zwischen Himmel und Erde
beiden hörig

Abglanz
Echo

Wirklichkeit
unser unverlässliches
Märchen

(Rose Ausländer)

Donnerstag, 7. November 2013





Herbst

Die Tauben sitzen schwer wie Steine
Der Baum im Hof verliert Gewicht
Ein alter Mann vertritt die Beine
Wird Herbst da draussen, wie ich meine

Zwölf Bänke stehn und sind vergessen
Ein Tulpenbeet hat nichts zu tun
Ein Sonnenstrahl grüsst sehr gemessen,
Den Herbst da draussen, und in mir

(Hildegard Knef)

Novembermorgen




Dienstag, 5. November 2013


In uns sind alle Leidenschaften
und alle Laster
und alle Sonnen und Sterne,
Abgründe und Höhen,
Bäume, Tiere, Wälder, Ströme.
Das sind wir.
Wir erleben
in unseren Adern,
in unseren Nerven.
Wir taumeln.
Brennend
zwischen grauen Blöcken Häuser.
Auf Brücken aus Stahl.
Licht aus tausend Röhren
umfliesst uns,
und tausend violette Nächte
ätzen scharfe Falten
in unsere Gesichter.

(George Grosz)




Novembertag

Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
drängt die Welt nach innen,
ohne Not geht niemand aus,
alles fällt in Sinnen.

Leiser wird die Hand, der Mund,
stiller die Gebärde,
Heimlich, wie auf Meeresgrund,
träumen Mensch und Erde.

(Christian Morgenstern)

Sonntag, 3. November 2013

November


Those faces you see every day 
on the streets 
were not created entirely without hope: 
be kind to them: 
like you they have not escaped.

(Charles Bukowski)
Do I dare
Disturb the universe?
In a minute there is time
For decisions and revisions 
which a minute will reverse.

(T. S. Eliot)

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