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Dienstag, 17. Februar 2015

Lange bevor
Wir uns stürzten auf Erdöl, Eisen und Ammoniak
Gab es in jedem Jahr
Die Zeit der unaufhaltsam und heftig grünenden Bäume.
Wir alle erinnern uns
Verlängerte Tage
Helleren Himmels
Änderung der Luft
Des gewiss kommenden Frühjahrs.

(Bertolt Brecht)

Montag, 16. Februar 2015

Singen
Den Freudengesang
Eines Traumes
Den Trauergesang
Unserer Zeit
Das Helle
Du bist
Ein Fünkchen Licht
Das finstre
Gedröhn und Gerassel
Der Maschinen
Wir
Müssen wach sein
Unsere Stimme
Wach halten
Um singen zu können
Ein
Ruhiger
Atmender Morgen

(Rose Ausländer)

Sonntag, 15. Februar 2015

Hoffen

Hoffen heisst auch den Hoffenden spielen,
Hoffen heisst auch sich gegen das eigene Herz als Hoffende aufzuführen.
Es heisst also arbeiten, kämpfen, reden als ginge das Leben 
und als sei es nicht vom Äussersten bedroht.
Es heisst übrigens nicht nur arbeiten. 
Es heisst auch Musik hören und Wein trinken 
und Bücher lesen und Freundinnen besuchen 
und tun, als hätte man alle Zeit der Welt.
Noch einmal, man muss sich zwiespältig machen
 und sich den Riss in die eigene Hoffnungslosigkeit erlauben.
Nur so kann man leben.

(Fulbert Steffensky)

Samstag, 14. Februar 2015

Verschollenes Tier


Hier in der Türe
wo der Nebel wartet
müsste ich wütend sein
auf diesen Winter
und den Zorn um mich schlagen
als hochgeschlossenen Mantel
und hinausgehen
in die Kälte die weich zurückweicht

(Erich Fried)

Noch ist Raum
für ein Gedicht.
Ein Gedicht ist ein Raum
Wo man atmen kann.

(Rose Ausländer)

Donnerstag, 12. Februar 2015

Mittwoch, 11. Februar 2015

Die ausgetretenen Wortwege 
verlasse ich,
um einzutreten
in den Raum des Schweigens.
Warten will ich,
bis die Stille
das Laute überwächst
und ich ganz Ohr werde
für Deine Gegenwart. 

(Antje Sabine Nägeli)

Samstag, 7. Februar 2015


auf der suche
nach etwas schönem wie schnee
ging ich leer aus
bis es des wegs zu schneien begann

(elisabeth borchers)

Zauberer

Die Post
bringt täglich
neue Zauberer
Man muss sich hüten
einen Brief zu öffnen

Im Nachbarhaus
sind alle schon verwandelt
in nützliche Geräte
Staubsauger Kühlschrank Bügelbrett

Ich halte mich
an meinen Spiegel
er kennt mich
er erkennt mich noch

Im Tanzsaal
die Marionetten
sind aufgezogen
die Federn summen
Dreieck und Quadrat

Drei Worte täglich
ach die Wahl fällt schwer

(Rose Ausländer)


verwandlungen
geschehen über nacht.
die erste der sieben
weisheiten des schnees.
wie lange das staunen anhält
über eine einzige farbe.
tage mit schalldämpfer.
aus der bäckerei an der ecke
duftet es wärmer als sonst.
eine einsame krähe.
schwarz, ruft sie, schwarz
ist alle poesie.

(rainer malkowski)

Sonntag, 1. Februar 2015

manchmal stehe ich 
in diesem raum 
ohne tür 
der leben heisst 
und betrachte 
fragend 
den schlüssel 
in meiner hand 

(Otto Lenk)

Freitag, 30. Januar 2015

Give the ones you love
wings to fly 
roots to come back
and reasons to stay.

(Dalai Lama)



Samstag, 24. Januar 2015

Wie geht das
in sich gehen
sich lösen aus Lähmendem
den Dingen ihren Lauf lassen
im Leisegang abwarten lernen
bis wieder aufblüht
was unter dem Winter gelegen

(Annemarie Schnitt)

Donnerstag, 22. Januar 2015

Run my dear,
From anything
That may not strengthen
Your precious budding wings.

Run like hell my dear,
From anyone likely 
To put a sharp knife
Into the sacred, tender vision
Of your beautiful heart.

(Hafiz)

This sky 
where we live 
is no place 
to lose your wings
So love, love, love.

(Hafiz)

Sonntag, 18. Januar 2015


Ich warte nicht
bis mir die Decke
auf den Kopf fällt
und Staub aufwirbelt
im möblierten Schlaf
der Jahre
Unverriegelt
bleiben alle Türen
auch die Fenster
öffne ich
dankbar den Dieben
die mich von den Dingen
befreien
Im leeren Raum
verschwimmt 
der Boden unter den Füßen
ins Weite
Bevor die tapezierten Wände
stürmisch protestieren
gegen den Stillstand
fliegt das Dach
über dem Kopf
davon

(Mario Wirz)

Montag, 12. Januar 2015

Zu wissen dass wir zählen
mit unserem Leben
mit unserem Lieben
gegen die Kälte
für mich, für dich, 
für unsere Welt

(Ruth Cohn)


Sonntag, 11. Januar 2015

Nie
will ich sagen müssen:
ich habe mir die Welt
nicht genau genug
gemerkt

(Rainer Malkowski)


Mittwoch, 7. Januar 2015

Antwort

aber ich breche dir
           wörter wie brot              
streue krumen 
auf weisse wege

elstern folgen
füchse nehmen
witterung
du aber fürchtest dich

vor dem schnee 
vor der stille 
vor dem gläsernen 
gesicht

vor dem augenblick 
wo der vogel 
seinen schatten erkennt
die erde berührt

(Doris Runge)

Montag, 5. Januar 2015


Ach
Wer von einem Sternhimmel eine
Vorstellung hat
Der
Könnte eigentlich sein Maul halten

(Berthold Brecht)

Samstag, 3. Januar 2015

Guter Rat für Engel



Ihr sollt nicht eure Flügel falten,
damit ihr durch Türen kommt,
noch eure Köpfe beugen,
damit sie nicht gegen eine Decke stossen,
noch Angst haben zu atmen,
damit die Mauern nicht bersten und einstürzen.
Ihr sollt nicht in Gräbern wohnen,
die von den Toten für die Lebenden gemacht sind.
Und obwohl von Pracht und Glanz,
sollte euer Haus weder euer Geheimnis hüten,
noch eure Sehnsucht beherbergen.
Denn was grenzenlos in euch ist,
wohnt im Palast des Himmels,
dessen Tor der Morgennebel ist und dessen
Fenster die Lieder und die Stille der Nacht sind.

(Khalil Gibran)