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Samstag, 10. März 2018

Es ist die Neugier, 
die mich antreibt. 
Sie führt mich tief 
ins Herz der Welt.

(Arundhati Roy)



Bild: Heike Maria

Donnerstag, 8. März 2018

zum Weltfrauentag

Ich achte die Frau, die das kann,
was ich manchmal mühsam üben muss –
nahtlos mit der Welt verbunden zu sein,
nicht über ihr Denken, sondern über ihr Wesen.

Ich achte die Frau, die nicht schweigt,
weil sie Frau ist, auch wenn Männer sie behindern
und nicht ahnen oder zugeben wollen,
dass sie so wertvoll ist wie sie selbst.
Sie hat es geschafft, am Mannsein und Frausein
vorbeizusehen und das Menschsein zu erkennen.
Sie glaubt, dass wir alle erst Mensch
und dann Frau oder Mann sind.

Ich achte die Frau,
die ihren Mann verlässt,
ohne sich zu schämen für ihre unstillbare Sehnsucht
nach einem Leben, das sich zu leben lohnt,
nachdem sie es jahrelang mit ihm versucht hat
und er sich geweigert hat diesen Weg mit ihr zu gehen.

Ich achte die Frau in mir,
die sich nicht schämt,
sich mir ungeschützt zu zeigen,
um mich zu beschenken mit ihrer Zartheit,
mit dem Reichtum ihres Gespürs
und der Flut ihrer Bilder.

Ich achte die Frau, die bei ihrem Mann bleibt
und dabei über alles hinauswächst,
was sie dachte und fühlte,
die nicht kleiner, sondern größer wird
in der Enge, die er versucht auf sie zu legen,
und der sie mit ihrer inneren Weite begegnet.

Ich achte die Frau, die ihren Körper ehrt
und ihn nicht verschenkt wie etwas Wertloses,
weil sie ihren Körper bewohnt
und ihn zu ihrer Heimat gemacht hat.

Ich achte die Frau,
die in ihrem Geschlecht keine Grenze sieht,
und die Welt erobert, als gehöre sie ihr,
weil sie ihr gehört, genau so wie jedem Mann.
Sie lebt in sich
und braucht auf keine Weise Mann zu werden
um etwas in der Welt zu gelten.

Ich achte die Frauen,
von denen ich gelernt habe Frauen zu achten,
und spüre, dass ich mich selbst dadurch achte
und ein anderer werde.
Durch sie habe ich in Frage gestellt,
was ich als Mann bin und wie ich mich sehe.

Ich achte die junge Frau,
die ihre ganze Energie hineinlegt
in die Veränderung der Welt
für Frauen überall, und sich nicht aufhalten lässt
von denen, die ihre Verwöhnung
weiter leben wollen,
die männliche und die weibliche Variante.

Ich achte die Frau,
die Männer und Frauen herausfordert,
Menschen zu werden,
wie sie selbst zuerst Mensch ist
und alles andere dem folgt.

(Ulrich Schaffer)

Freitag, 2. März 2018

Donnerstag, 1. März 2018

Die Körper Erwachsener
kommen daher mit 
Dehnungsstreifen und Narben
Gesichtern, in denen gelebt wurde,
entspannten Brüsten und Bäuchen,
schmerzenden Rücken
und abgetretenen Füssen:
Fleisch, das empfindlich ist
und offensichtlich auch sterblich.
Sie kommen daher auch
mit blauen Flecken auf ihren Herzen,
Wunden, die sie nicht vergessen können
und jeder und jede von ihnen
in der Seele Geliebte
die nicht wiederkommen
und die nicht aus den Gedanken 
gestrichen werden können.
Und doch ist da eine Schönheit
jenseits der Ebenmässigkeit der Jugend;
und mein Herz verlangt 
nach der Anmut dieser Sehnsucht,
sie strömt durch Körper, 
die sich nicht mehr anstrengen unschuldig zu sein,
sondern nach Versöhnung verlangen.

(Janet Morley)

Dienstag, 27. Februar 2018



Alles ist Weg

Jeder Tag stellt seine eigenen Fragen,
jede Begegnung fügt die Schritte vieler zusammen,
jede Aufgabe schmiegt sich neu in Deine Hand.
Richte es Dir nicht im Bestehenden ein,
werde nicht schläfrig am Wieder-und-Wieder,
kein Mensch ist derselbe, den Du gestern noch sahst, 
und die gestrigen Worte liegen heute schon 
schief in Deinem Mund.
Alles ist Weg.
Auch Dein Arbeiten, auch Dein Ruhen,
und die Träume dazwischen, die flüstern:
Jede Ankunft zieht Kreise,
nach oben zum rufenden Sog,
wie die Treppe im Turm der Kathedrale,
der den unausweichlichen Klang
der Glocke birgt.
Reise mit Freude.
Alles ist Weg.

( Giannina Wedde)

Sonntag, 25. Februar 2018

Mittwoch, 21. Februar 2018


be here now

Montag, 19. Februar 2018

Samstag, 17. Februar 2018

"Das ist doch das, was uns im Leben immer wieder passiert: 
Man sieht ein Bild und denkt, das sei die Welt, 
vergisst aber, dass es ganz viele Bilder von der Welt gibt. 
Dass man auch in sich selbst ganz viele Bilder, Ideen, Sehnsüchte hat, 
die man nicht erfüllen konnte, an denen man aber immer noch hängt, 
wo man weinen könnte, weil man sie aufgeben musste. 
Der Mensch besteht eben nicht nur aus Chemie, 
sondern auch aus ganz viel Sehnsucht.
Und ich glaube, dass jeder so eine Dunkelphase in sich hat, 
dass jeder hin und wieder in so einem leeren, dunklen Raum sitzt, 
in dem die Bilder und Sehnsüchte weiterleben. 
Und die man vielleicht doch noch realisieren kann, 
wenn man diese Dunkelheit nicht ignoriert. "

(Christoph Schlingensief, aus: "Ich weiss, ich war`s")

Donnerstag, 15. Februar 2018

Herz der herzlosen Welt

Wo keine Freiheit ist
Bist du die Freiheit
Wo keine Würde ist
Bist du die Würde
Wo keine Wärme ist
Keine Nähe von Mensch zu Mensch
Bist du die Nähe und die Wärme
Herz der herzlosen Welt

Deine Lippen und deine Zunge
Sind Fragen und Antworten
In deinen Armen und deinem Schoss
Ist etwas wie Ruhe
Jedes Fortgehenmuessen von dir
Geht zu auf das Wiederkommen
Du bist ein Anfang der Zukunft
Herz der herzlosen Welt

Du bist kein Glaubensartikel
Und keine Philosophie
Keine Vorschrift und kein Besitz
An den man sich klammert
Du bist ein lebender Mensch
Du bist eine Frau
Und kannst irren und zweifeln und gutsein
Herz der herzlosen Welt

(Erich Fried)

Dienstag, 13. Februar 2018

Montag, 12. Februar 2018

Donnerstag, 8. Februar 2018

Vierzig vorbei

Da wären wir also
40 und mehr
und sehen mit leichtem Erstaunen
was wir geworden sind
und was nicht.

Und während die Kondukteure im Zug
immer jünger werden
sitzen manche von uns an Pulten
und haben noch grössere Pulte vor sich
und machen im stillen
Wahrscheinlichkeitsrechnungen
über die Lebensdauer
von diesem und jenem
hinter dem grösseren Pult
und merken plötzlich
die möglichen Sessel
sind schon gezählt.

Dann gibt es auch welche
die sitzen mit 40 bereits
an den grösseren Pulten
gepanzert mit Sekretärinnen
und einer ganzen Etage
von Mitarbeitern
warum auch nicht
es sind doch die besten Jahre
sie sind beweglich und stark.

Und hilft es uns nicht
einer Zeit entgegenzugehen
die keine grösseren Pulte mehr braucht
nur Menschen
die wissen
ihr Geburtsdatum
war kein Zufall
sondern sie waren
persönlich damit gemeint.

(Franz Hohler, gekürzt aus: Vierzig vorbei, Gedichte)


Mittwoch, 7. Februar 2018

Drei Wünsche

eine handvoll sauerteig
damit das glück aufgeht

da und dort ein spalt
durch den die winde des lebens
ihre weisen pfeifen

im bauch
das lächeln der schmetterlinge

(Andrea Maria Keller)

Neuschnee

Am kalten, hellichten Tag
Eine Milchstrasse zu unsern Füssen.
Wer den Kopf nur leicht bewegt,
sieht, wie unter ihm hundert Sterne
aufblitzen, brennen, erlöschen.
Jeden Augenblick eine Nova.

(Hans Magnus Enzensberger)

Samstag, 3. Februar 2018

Freitag, 2. Februar 2018


Mögest Du gerne auf dieser Welt sein,
die so schön ist in ihrer Sanftheit
und so erhaben in ihrer Wildheit,
mögest Du sorglose Nächte erleben
unter gütigen Sternen
und unbeschwerte Tage im Gold der Sonne.
Mögest Du die Kostbarkeit der Dinge begreifen,
wenn Sand durch Deine Finger rinnt,
wenn Schnee auf Deiner Zunge schmilzt
und wenn das Abendrot unter Deinen
sehnsüchtigen Blicken erlischt.

Mögest Du den Schatz erkennen,
der im Lachen eines wahren Freundes liegt
und in einer tröstenden Umarmung,
im leisen Begehren, das zu Liebe werden will,
und im Kuss, der Deine Grenze verwischt.
Mögest Du fragen und zweifeln,
hadern und ringen, wie Menschen es tun,
die bereit sind, bis zum Grund zu tauchen
und der Welt die Perle zu schenken, 
die sie fanden.

Mögest Du aufgehoben werden, wenn Du fällst,
von Einem, der das Unverletzte in Dir sieht
und das Verwundete in Dir zu lieben vermag,
von Einem, der hört, was Du zu sagen hast,
und sagt, was Du hören musst.
Möge in Dir die Gewissheit reifen,
dass Du gewollt bist mit jedem Haar auf Deinem Haupt,
mit jedem Deiner Gedanken, auch jenen,
die ratlos sind am Ende des Tages,
dass Du geliebt bist vom ersten Atemzug
bis zum letzten, wenn Dein Weg vollendet ist.

Mögest Du ein Glück finden,
das größer ist als jedes Besitzen, jedes Wollen
und jedes Wissen: 
ein Glück, das an Begegnung reift
und an dem Wunsch, sich zu verschenken,
um Hoffnung für viele zu sein.
Mögest Du wissen,
dass Du genug Güte in Dir trägst,
um eine Wunde zu schliessen,
einen Alptraum zu beenden,
ein Leben zu retten
und eine leuchtende Antwort
auf jemandes dunkle Frage zu sein.

 (Giannina Wedde)

Samstag, 27. Januar 2018

Freitag, 26. Januar 2018

Für ein Kind

Geh um den Berg, geh leise,
denn der Berg ist still und sanft,
stell dir das weite Tal vor
auf der anderen Seite des Berges,
denk dich durch den Berg
in das ungeschützte Tal,
wo vielleicht Gefahr ist oder Schmerz.

Zieh einen Kreis aus Gedanken
um den sanften, stillen Berg,
und der Berg wird zu Kristall,
und du siehst das offene Tal
durch den kristallinen Berg,
und die ganze Wahrheit des Berges
und Tales ist dein.

Und geh um den Berg, geh behutsam,
und betritt es leise,
das friedvolle Tal,
wo das Herz des Kristallbergs schlägt.

(Peter Blue Cloud)

Montag, 22. Januar 2018

Sonntag, 21. Januar 2018

alle steine auf dem weg, alle
wellen im feld und die furchen
die das meer pflügen.
alle wolken in der nacht
und die sterne, die in den nächten wohnen
und bei tag schlafen sie 
im lehm. alle schritte
die du getan und alle wege
die dich führen und die schiffe
die du hast ausfahren sehen
und die, die träumen
auf dem grund aller meere.
und du und ich, wie wir waren
und du und ich, wie wir werden.
und alle träume, die wir schon träumten
und all dieser raum, der sich im innern verzweigt
wie ein baum 
all dieser raum ...

(Anna Montero)