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Sonntag, 26. Juni 2011

Kinder werden als Riesen geboren,
Doch mit jedem Tag, der dann erwacht,
Geht ein Stück von ihrer Kraft verloren,
Tun wir etwas, das sie kleiner macht.
Kinder versetzen so lange Berge,
Bis der Teufelskreis beginnt,
Bis sie wie wir erwachs'ne Zwerge
Endlich so klein wie wir Großen sind!
Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!
Freiheit ist für dich durch nichts ersetzbar,
Widerspruch ist dein kostbarstes Gut.
Liebe macht dich unverletzbar
Wie ein Bad in Drachenblut.
Doch pass auf, die Freigeistfresser lauern
Eifersüchtig im Vorurteilsmief,
Ziehen Gräben und erdenken Mauern
Und Schubladen, wie Verliese so tief.
Du bis ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!
Keine Übermacht könnte dich beugen,
Keinen Zwang wüsst’ ich, der dich einzäunt.
Besiegen kann dich keiner, nur überzeugen.
Max, ich wär so gern dein Freund,
Wenn du morgen auf deinen Reisen
Siehst, wo die blaue Blume wächst,
Und vielleicht den Stein der Weisen
Und das versunkene Atlantis entdeckst!
Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!

(Reinhard Mey)

Laß es zu

Laß es zu
daß du dich schwach fühlst und beschämend klein
Laß es zu
wie eine Schnecke ohne Haus zu sein
Laß es zu
daß jeder sieht, du bist kein großer Held
und laß es zu
daß dir dein kleines Leben doch gefällt

Laß es zu
daß du dich schön fühlst wie ein Märchenschloß
Laß es zu
und ziehe unbesorgt dein großes Los
Laß es zu
daß jeder sieht, wie dir die Freude steht
und laß es zu
daß jede gute Zeit vergeht

Laß es zu
daß du vor Liebe fast in Stücke brichst
Laß es zu
daß du vor Sehnsucht dumme Worte sprichst
Laß es zu
daß man dir tief in deine Seele schaut
und laß es zu
daß sie sich frei zu andern Menschen traut
Laß es zu
wenn man dir weh tut, deinen Stolz verletzt
Laß es zu
wenn deine Wut, dein Zorn sich widersetzt
Laß es zu
doch nimm die Waffe trotzdem nicht zur Hand
ja, laß es zu
steh mit dem Rücken ruhig zur Wand

Laß es zu
dein Weinen, Lachen, deine Fröhlichkeit
Laß es zu
daß zwischen Tränen dich die Sonne freut
Laß es zu
daß du an einem Abend sterben willst
und laß es zu
daß du am nächsten Morgen Kräfte fühlst
Laß es zu
daß die Enttäuschung dich nicht mürbe macht
Laß es zu
daß deine Skepsis deinen Wunsch bewacht
Laß es zu
daß du ein Mensch bist und kein Wundertier
Laß es zu
dein Leben - heute, jetzt und hier.

(Erika Pluhar)