Im Spiegel des Alltags
vergeht die Zeit
geduldig und sanft.
Alle paar Monate
die Entdeckung einer Falte:
Das Lachen beginnt
die Mundwinkel zu zeichnen,
das Gesicht etwas länglicher.
Nichts Ernsthaftes.
Nichts, das plötzliche Unruhe auslöst.
Auf der Strasse, ein beliebiger Tag,
treffe ich auf einen Freund,
den ich zehn Jahre nicht sah.
Das Haar ist dünn geworden.
Er hat zugenommen.
Er ist ergraut.
Aus seinem Gesicht, das nicht mehr jung ist,
sieht er mich staunend an.
Wir tauschen Grüsse,
Umarmungen,
Scherze über das Vergehen der Zeit.
Dann
geht jeder seinen Weg.
Heute Nacht
vor dem Spiegel,
werde ich meinen,
dass ich gar nicht so übel aussehe,
dass zweifellos ich
weniger gealtert bin.
Während er,
seinem Bild zugewandt,
sich genau das Gleiche sagt....
(Gioconda Belli)