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Mittwoch, 14. Mai 2014



Mut gibt es gar nicht. 
Sobald man überlegt, wo man ist, ist man schon an einem bestimmten Punkt.
Man muss nur den nächsten Schritt tun.
Mehr als den nächsten Schritt kann man überhaupt nicht tun. 
Wer behauptet, er wisse den übernächsten Schritt, lügt.
So einem ist auf jeden Fall mit Vorsicht zu begegnen.
Aber wer den nächsten Schritt nicht tut, obwohl er sieht, 
dass er ihn tun könnte, tun müsste, der ist feig.
Der nächste Schritt ist nämlich immer fällig. 
Der nächste Schritt ist nämlich nie ein großes Problem. Man weiß ihn genau.
Eine andere Sache ist, dass er gefährlich werden kann. Nicht sehr gefährlich.
Aber ein bisschen gefährlich kann auch der fällige nächste Schritt werden.
Aber wenn du ihn tust, wirst du dadurch, dass du erlebst, 
wie du ihn dir zugetraut hast, auch Mut gewinnen.
Während du ihn tust, brichst du nicht zusammen, sondern fühlst dich gestärkt.
Gerade das Erlebnis, dass du einen Schritt tust, 
den du dir nicht zugetraut hast, gibt dir ein Gefühl von Stärke.
Es gibt nicht nur die Gefahr, dass du zu viel riskierst, 
es gibt auch die Gefahr, dass du zu wenig riskierst.
Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füsse.

(Martin Walser)