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Sonntag, 30. September 2012

Kopf und Herz


Es ist nicht immer leicht,
an Jahren zu gewinnen
und nicht traurig zu sein
über den Anblick von Ruinen,
die einmal Häuser waren,
in denen es sich leben ließ
und lieben.

Es ist nicht immer leicht,
Geburtstage zu feiern
und nicht wehmütig zu werden
über das,
was nicht mehr ist,
außer im Gedächtnis des Herzens.

Das Herz
in seiner unheilbaren Sehnsucht
hängt an zerbrochener Gemeinsamkeit,
trauert verpaßten Chancen nach,
längst demaskierten Illusionen,
sehnt sich zurück
nach verlorenem Glück.

Der Kopf
schmeißt alles
aus dem Fenster raus.

Das treue Herz
sammelt es heimlich ein
und bringt es
durch die Hintertür
wieder ins Haus.


(Hans Kruppa)

Donnerstag, 27. September 2012



Freundschaft


Freunde sind mir die, mit denen ich
Essen und trinken und reden kann.
Die mich in meiner Küche kennen,
Und denen ich sage: Komm, setz dich ran.
(Keine Probleme und Komplikationen:
Wie füttert man den? Ist der Schnaps gut genug?)
Mit denen gemeinsam ich in den Jahren
Meine und ihre Lasten abtrug:
Krankheit der Kinder und Weltüberdruss.
Mit denen ich die Nächte zerrede.
Und doch kommt es niemals zu einem Schluss.
Das kann auch über Fernen bestehen.
Auch wenn man sich lange Zeit nicht sieht:
Halten wir nur aneinander fest,
Was immer sonst auch mit uns geschieht.
Freundschaften sind wie Abenteuer,
An die man sein ganzes Leben setzt.
Versagt man oder wird man verraten,
Hat man sich mehr als die Haut verletzt.

(Eva Strittmatter)

Mittwoch, 26. September 2012

Lied vom Kindsein




Als das Kind Kind war, 
ging es mit hängenden Armen, 
wollte der Bach sei ein Fluß, 
der Fluß sei ein Strom, 
und diese Pfütze das Meer.

Als das Kind Kind war, 
wußte es nicht, daß es Kind war, 
alles war ihm beseelt, 
und alle Seelen waren eins.

Als das Kind Kind war, 
hatte es von nichts eine Meinung, 
hatte keine Gewohnheit, 
saß oft im Schneidersitz, 
lief aus dem Stand, 
hatte einen Wirbel im Haar 
und machte kein Gesicht beim fotografieren.

Als das Kind Kind war, 
war es die Zeit der folgenden Fragen: 
Warum bin ich ich und warum nicht du? 
Warum bin ich hier und warum nicht dort? 
Wann begann die Zeit und wo endet der Raum? 
Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum? 
Ist was ich sehe und höre und rieche 
nicht bloß der Schein einer Welt vor der Welt? 
Gibt es tatsächlich das Böse und Leute, 
die wirklich die Bösen sind? 
Wie kann es sein, daß ich, der ich bin, 
bevor ich wurde, nicht war, 
und daß einmal ich, der ich bin, 
nicht mehr der ich bin, sein werde?

Als das Kind Kind war, 
würgte es am Spinat, an den Erbsen, am Milchreis, 
und am gedünsteten Blumenkohl. 
und ißt jetzt das alles und nicht nur zur Not.

Als das Kind Kind war, 
erwachte es einmal in einem fremden Bett 
und jetzt immer wieder, 
erschienen ihm viele Menschen schön 
und jetzt nur noch im Glücksfall, 
stellte es sich klar ein Paradies vor 
und kann es jetzt höchstens ahnen, 
konnte es sich Nichts nicht denken 
und schaudert heute davor.

Als das Kind Kind war, 
spielte es mit Begeisterung 
und jetzt, so ganz bei der Sache wie damals, nur noch, 
wenn diese Sache seine Arbeit ist.

Als das Kind Kind war, 
genügten ihm als Nahrung Apfel, Brot, 
und so ist es immer noch.

Als das Kind Kind war, 
fielen ihm die Beeren wie nur Beeren in die Hand 
und jetzt immer noch, 
machten ihm die frischen Walnüsse eine rauhe Zunge 
und jetzt immer noch, 
hatte es auf jedem Berg 
die Sehnsucht nach dem immer höheren Berg, 
und in jeder Stadt 
die Sehnsucht nach der noch größeren Stadt, 
und das ist immer noch so, 
griff im Wipfel eines Baums nach dem Kirschen in einemHochgefühl 
wie auch heute noch, 
eine Scheu vor jedem Fremden 
und hat sie immer noch, 
wartete es auf den ersten Schnee, 
und wartet so immer noch.

Als das Kind Kind war, 
warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum, 
und sie zittert da heute noch.

(Peter Handke)



Dienstag, 25. September 2012

Montag, 24. September 2012

Was der Wind in den Sand geschrieben


Dass das Schöne und Berückende
nur ein Hauch und Schauer sei,
dass das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Frauenblick im Spiegelglase
und viel andre wunderbare Sachen,
dass sie, kaum entdeckt, vergehen,
nur von Augenblickes Dauer,
nur ein Duft und Windeswehen,
ach, wir wissen es mit Trauer.
Und das Dauerhafte, Starre
ist uns nicht so innig teuer:
Edelstein mit kühlem Feuer,
glänzendschwere Goldesbarre;
selbst die Sterne, nicht zu zählen,
bleiben fern und fremd, sie gleichen
uns Vergänglichen nicht, erreichen
nicht das Innerste der Seelen.
Nein, es scheint das innigst Schöne,
Liebenswerte dem Verderben
zugeneigt, stets nah am Sterben,
und das Köstlichste: die Töne
der Musik, die im Entstehen
schon enteilen, schon vergehen,
sind nur Wehen, Strömen, Jagen
und umweht von leiser Trauer,
denn auch nicht auf Herzschlags Dauer
lassen sie sich halten, bannen;
Ton um Ton, kaum angeschlagen,
schwindet schon und rinnt von dannen.
So ist unser Herz dem Flüchtigen,
ist dem Fließenden, dem Leben
treu und brüderlich ergeben,
nicht dem Festen, Dauertüchtigen.
Bald ermüdet uns das Bleibende,
Fels und Sternwelt und Juwelen,
uns in ewigem Wandel treibende
Wind- und Seifenblasenseelen,
Zeitvermählte, Dauerlose,
denen Tau am Blatt der Rose,
denen eines Vogels Werben,
eines Wolkenspieles Sterben,
Schneegeflimmer, Regenbogen,
Falter, schon hinweg geflogen,
denen eines Lachens Läuten,
das uns im Vorübergehen
kaum gestreift, ein Fest bedeuten
oder wehtun kann. Wir lieben,
was uns gleich ist, und verstehen,
was der Wind in den Sand geschrieben.

(Hermann Hesse)


What lies behind us 
and what lies before us 
are tiny matters compared to 
what lies within us.

( ~ Ralph Waldo Emerson)


Samstag, 22. September 2012

Vorsicht


Meine Sehnsucht hat wieder
einen Namen der mich anfüllt
mit Glück und Schmerz.
Dabei hat sich nichts merklich geändert
Ich geh durch die Tage lächelnd
wie er durch mich geht
mit seinem Geruch seiner Stimme
seiner Gestalt die mein Verlangen prägt
seinem Leib der den meinen ganz und gar umkleidet
Ich versuche mit aller Kraft
nicht zu sagen
Komm oder Geh oder Bleib.


(Ulla Hahn)


Freitag, 21. September 2012

Donnerstag, 20. September 2012

Mittwoch, 19. September 2012

Himmelweit........



Young -
but with the wisdom of forever 
peaceful as the quiet beyond the sky,
Lonely -
yet sharing in a world of other people 
seeing life through other peoples’ eyes 
Afraid -
but braver than tomorrow,
wondering if what is
will always be 
borrowing your happiness and sorrow
with the unrequieted freedom of the free 
Sad -
as Autumn snowdrift in the valley,
eyes with unshed tears too proud to fall 
A heart that trusts in love
but not in loving 
yet knowing all the while
that love is all.

(~Nan Witcomb)

Dienstag, 18. September 2012

Das Leichteste der Welt


Ich will mich wieder wundern will erstaunt sein
Will wie der allererste Mensch
Mit neuen Augen zwischen den Dingen stehen
Und nichts wiedererkennen
Die Schritte setzen durch Wälder und Wiesen
Und sagen ja es ist gut – ist gar nicht so schlecht

Und also öffne ich meine Arme öffne sie so weit ich kann

(Kid Kopphausen: Das Leichteste der Welt)



There is a place where words are born of silence,
A place where the whispers of the heart arise.
There is a place where voices sing your beauty,
A place where every breath carves your image
... in my soul.

~Rumi 

Montag, 17. September 2012


As Summer into Autumn slips....


As Summer into Autumn slips
And yet we sooner say
“The Summer” than “the Autumn,” lest
We turn the sun away,

And almost count it an Affront
The presence to concede
Of one however lovely, not
The one that we have loved –

So we evade the charge of Years
On one attempting shy
The Circumvention of the Shaft
Of Life’s Declivity.

(Emily Dickinson)


Sonntag, 16. September 2012

Donnerstag, 13. September 2012


Mich zu lieben muß ein Mann
von meiner Haut den Vorhang wegziehen
bis auf den Grund meiner Augen sehen
und erkennen das in mir nistet
die durchsichtige Schwalbe Zärtlichkeit

Mich zu lieben darf ein Mann
mich nicht wie eine Ware besitzen wollen
mich nicht vorführen wie eine Jagdtrophäe
er wird an meiner Seite stehen
mit der gleichen Liebe
wie ich an seinen

Mich zu lieben, muß die Liebe
eines Mannes stark sein wie Ceibobäume,
so schützend und sicher
und so klar wie ein Dezembermorgen.

Mich zu lieben darf ein Mann
meinem Lächeln nicht misstrauen
er soll Trauer und Schweigen achten
und auf meinem Leib mit Liebkosungen spielen
wie auf einer Gitarre , Melodien
und Freude aus der Tiefe meines Körpers locken

Mich zu lieben muß ein Mann
in mir das Bett für die Last seiner Sorgen sehen,
eine Freundin mit der er seine Geheimnisse teilt
einen See in dem er treibt
ohne Angst, daß ein Anker von Verpflichtungen
ihn am fliegen hindert, wenn er Lust hat ein Vogel zu sein.

Mich zu lieben, muß ein Mann
Poesie aus seinem Leben machen
jeden Tag neu gestalten
mit dem Blick in die Zukunft

(Gioconda Belli)

Mittwoch, 12. September 2012

Dienstag, 11. September 2012


Ich nehme mein Leben in die Hand. 
Leicht ist es und gut zu fühlen.

Zeit gilt nicht, wenn alles lauscht 
und nur der Atem geht wie sanfter Wind durchs Gras.

Ich schaue hoch.

Wer ich bin, ist nicht zu sagen; 
ich mache mir keinen Vers auf mich; 
kein Wort ist so grün wie die Blätter der Bäume.

Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten 
und hoffe, daß er fliegen lernt.

(Hans Kruppa)

Montag, 10. September 2012

Say YES


It's always been wait and see
A happy day and then you pay
and feel like shit the morning after
But now I feel changed around and instead of falling down
I'm standing up the morning after
Situations get fucked up and turned around sooner or later
I could be another fool or an exception to the rule
You tell me the morning after

Es gibt Tage
wie eine blutdampfende Schlacht.
Nun tiefe Nacht,
nur nicht für mich,
für die andern,
für die Stumpfen,
die die Schlacht nicht spüren.
Die machen Musik,
leichte, gemeine Lieder.
Dann legen sie sich hin.

Ich finde den Schlaf nicht.
In mir glüht es noch,
in mir brennt es noch
da und dort.
Kühlung suchend am Fenster
seh' ich aussen alles erloschen.
Nur ganz fern
brennt noch ein kleines Fenster.
Da sitzt wohl ein Zweiter?
Irgendwo muss ich doch
nicht ganz allein sein!
Da tönt noch ein altes Klavier herüber,
das Stöhnen
des anderen Verwundeten.

(Paul Klee)

Sonntag, 9. September 2012

Samstag, 8. September 2012

Freitag, 7. September 2012

Daran, 
dass wir für andere 
wie für uns selbst 
nicht eingelöste 
Versprechen sind, 
sterben wir auch.

(Kurt Marti)
J'adore ce qui me brûle
(Max Frisch)

Donnerstag, 6. September 2012

Licht


Seit Du diesen Ort verlassen hast, 
erscheint er in meinem Augenblick 
nicht mehr ganz so hell wie zuvor. 
Das Strahlen Deiner Augen war 
das hellste mir in diesen Tagen. 

Seit Du diesen Ort verlassen hast, 
vermisse ich Dein Lachen beim 
Elfentanz der suchenden Seelen. 
Das Lächeln Deiner Seele war 
das liebste mir in diesen Tagen. 

Seit Du diesen Ort verlassen hast, 
bist Du da, denn wenn ich ganz leise, 
auf Zehenspitzen, mein Herz besuche, 
dann finde ich, welch Zauber, mein 
Licht in mir, und nebendran auch Deines.

(Pablo Neruda)

Mittwoch, 5. September 2012

Intimates


Don’t you care for my love? she said bitterly.
I handed her the mirror, and said:
Please address these questions to the proper person!
Please make all requests to head-quarters!
In all matters of emotional importance
please approach the supreme authority direct! —
So I handed her the mirror.
And she would have broken it over my head,
but she caught sight of her own reflection
and that held her spell bound for two seconds
while I fled.

(H.D. Lawrence)

Dienstag, 4. September 2012

September


Die Bläue eines Septembertages
mit offenen Händen auffangen
die goldgesprenkelte Luft
in tiefen Zügen ernten
Den Altweibersommer einsammeln
und seine Farbe aufbewahren
um das blasse Winterherz
damit anzumalen

(Ingrid Möller)

Montag, 3. September 2012

Sonntag, 2. September 2012

Perfect day

Ein Lied für Raphael
When I am with you 
we stay up all night. 

When you're not here
I cannot go to sleep. 

Thank God for these two insomnias 
and the difference between them. 

Rumi