.

.

Dienstag, 30. April 2013

Die Nacht streckt ihre Finger aus
Sie findet mich in meinem Haus
Sie setzt sich unter meinen Tisch
Sie kriecht wird gross sie windet sich
Und der Rauch schwimmt durch den Raum
Wächst zu einem schönen Baum
Den ich leicht zerstören kann –
Ich rauche einen neuen, dann
Zähl ich alle meinen lieben
Freunde an den Fingern ab
Es sind zu viele Finger, die ich hab
Zu wenig Freunde sind geblieben
Streckt die Nacht die Finger aus
Findet sie mich in meinem Haus
Rauch schwimmt durch den leeren Raum
Wächst zu einem Baum
Der war vollbelaubt mit Worten
Worten, die alsbald verdorrten
Schiffchen schwimmen durch die Zweige
Die ich heut nicht mehr besteige

(Sarah Kirsch)


Man kann sich nicht niederschreiben, 
man kann sich nur häuten

(Max Frisch )

Montag, 29. April 2013



Es geht geisterhaft zu, 
jeder Augenblick des Lebens will uns etwas sagen, 
aber wir wollen diese Geisterstimme nicht hören. 
Wir fürchten uns, wenn wir allein und still sind, 
dass uns etwas in das Ohr geraunt werde, 
und so hassen wir die Stille 
und betäuben uns durch Geselligkeit. 

(Friedrich Nietzsche) 

Sonntag, 28. April 2013


"We are torn between a nostalgia for the familiar 
and an urge for the foreign and strange.
 As often as not, we are homesick most 
for the places we have never known." 

(Carson McCullers)


Welt

Stillhalten. Sich um nichts bemühen.
Nicht um Reisen und Ruhm, nicht um Liebe und Geld.
Es kommt, was soll. Zu frühen
Ruhm soll man fürchten. In unserer Welt
Ist nichts ohne Preis des Verzichtes zu haben.
Die lange entbehrten sind entbehrliche Gaben.
Ist man alt genug, schätzt man hoch, was man hat:
Einen Sonnenmorgen im frühen April.
An der Birke das erste knospende Blatt.
Und die Freiheit zu sagen: ich will,
Ich will nicht. Niemand kann mich zwingen,
Um Geld oder Ruhm mein Lied zu singen,
Wenn ich beides nicht brauche. Ich kann drauf verzichten,
Dass man mich kennt. Ich kann heimlich dichten.
Und immer ist da, wo ich bin, die Welt.

(Eva Strittmatter)



Samstag, 27. April 2013

Beautiful World



Unaufhaltsam


Das eigene Wort,
wer holt es zurück,
das lebendige
eben noch
ungesprochene 
Wort?

Wo das Wort vorbeifliegt
verdorren die Gräser,
werden die Blätter gelb,
fällt Schnee.

Ein Vogel käme dir wieder. 
Nicht dein Wort, 
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund.
Du schickst andere Worte
hinterdrein.

Worte mit bunten, weichen Federn. 
Das Wort ist schneller, 
das schwarze Wort. 
Es kommt immer an, 
es hört nicht auf, 
anzukommen.

Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei. 
Nicht das Wort.

Am Ende ist das Wort,
immer
am Ende
das Wort. 

(Hilde Domin)

Freitag, 26. April 2013

Donnerstag, 25. April 2013

In the end, only three things matter: 
how much you loved, 
how gently you lived, 
and how gracefully you let go 
of things not meant for you.

(Buddha)

Mittwoch, 24. April 2013

Shake the Dust

This is for the fat girls.

This is for the little brothers.

This is for the school-yard wimps, 
this is for the childhood bullies who tormented them.

This is for the former prom queen, this is for the milk-crate ball players.

This is for the nighttime cereal eaters and for the retired, 
elderly Wal-Mart store front door greeters. Shake the dust.

This is for the benches and the people sitting upon them,

for the bus drivers driving a million broken hymns,

for the men who have to hold down three jobs simply to hold up their children,

for the nighttime schoolers and the midnight bike riders who are trying to fly. Shake the dust.

This is for the two-year-olds who cannot be understood
 because they speak half-English and half-god. Shake the dust.

For the girls with the brothers who are going crazy,

for those gym class wall flowers 
and the twelve-year-olds afraid of taking public showers,

for the kid who's always late to class 
because he forgets the combination to his lockers,

for the girl who loves somebody else. Shake the dust.

This is for the hard men, 
the hard men who want to love but know that it won't come.

For the ones who are forgotten, 
the ones the amendments do not stand up for.

For the ones who are told to speak only when you are spoken to 
and then are never spoken to. 
Speak every time you stand so you do not forget yourself.

Do not let a moment go by that doesn't remind you 
that your heart beats 900 times a day 
and that there are enough gallons of blood to make you an ocean.

Do not settle for letting these waves settle 
and the dust to collect in your veins.

This is for the celibate pedophile who keeps on struggling,

for the poetry teachers and for the people who go on vacations alone.

For the sweat that drips off of Mick Jaggers' singing lips 
and for the shaking skirt on Tina Turner's shaking hips, 
for the heavens and for the hells through which Tina has lived.

This is for the tired and for the dreamers and for those families 
who'll never be like the Cleavers 
with perfectly made dinners and sons like Wally and the Beaver.

This is for the biggots,

this is for the sexists,

this is for the killers.

This is for the big house,
 pen-sentenced cats becoming redeemers 
and for the springtime that always shows up after the winters.

This? This is for you.

Make sure that by the time fisherman returns you are gone.

Because just like the days, I burn both ends
 and every time I write, every time I open my eyes 
I am cutting out a part of myself to give to you.

So shake the dust and take me with you when you do 
for none of this has never been for me.

All that pushes and pulls, pushes and pulls for you.

So grab this world by its clothespins and shake it out again and again 
and jump on top and take it for a spin and 
when you hop off shake it again for this is yours.

Make my words worth it, 
make this not just another poem that I write, 
not just another poem 
like just another night that sits heavy above us all.

Walk into it, breathe it in, 
let is crash through the halls of your arms 
at the millions of years of millions of poets coursing 
like blood pumping and pushing making you live, 
shaking the dust.

So when the world knocks at your front door,
 clutch the knob and open on up, 
running forward into its widespread greeting arms with your hands before you,
 fingertips trembling though they may be.

(Anis Mojgani)


Wofür es sich zu leben lohnt

Für das Rauschen des Meeres,
für das Funkeln der Sterne,
für das Leuchten in den Augen derer, die wir lieben.
Für die Musik
und für den Tanz,
für die leisen Momente
und für das Innehalten im Trubel der Tage.
Für die Zärtlichkeit
und für die Sonne in unseren Herzen.
Für unsere unermüdliche Hoffnung.

(Jochen Mariss)


Dienstag, 23. April 2013




 








Deine Traurigkeit ist der dunkle Samt, 
auf dem die Juwelen deines Lebens leuchtend funkeln.
So wird dir sichtbar, über welch reiche Schätze du verfügst.

(Helen Ambach)

Montag, 22. April 2013








Das Nichtverstehen 
aushalten. 
Dem Geheimnis sein Geheimnis lassen. 
Sich nach Verstehen sehnen, 
sehnen, 
ohne gierig zu sein. 
Immer öfter merke ich: 
du brauchst nicht mehr die Illusion
des Verstehens, 
du musst nicht mehr alles verstehen. 
Ich komme jetzt besser mit den Geheimnissen aus, 
seit ich nicht mehr verstehen muss 
und trotzdem glauben und bewundern kann, 
auch wenn ich nicht verstehe, 
was genau wirksam ist, 
jetzt.

(Werner Sprenger)

Sonntag, 21. April 2013

Die weise Alte


Unerwartet ist sie da und will es wissen.
Warum, meinst du, bist Du hier? 

Ich frage dich,
bist du ab und zu über deinen Schatten gesprungen? 

Hast du selbst bestimmt, wie du lebst?

Hast du gekämpft für das, was dir wichtig war?

Hast du den Mut gehabt, aus heiterem Himmel zu lachen
und dabei dir, deiner dunklen Seite zu begegnen? 

Hast du eine Zeit der Einsamkeit gekannt,
bist durch Wüsten gegangen und dabei stärker geworden?

Hast du dich hingegeben und berühren lassen? 

Waren deine Begegnungen lust- und liebevoll?

Hast du dich selbstvergessen im Wind gedreht,
bist im warmen Regen gelaufen und in Pfützen gesprungen?

Was hast du dir erlaubt? 

Hast du barfuss unter freiem Himmel getanzt?

Hast du dich beflügeln lassen von deiner Phantasie? 

Bist du im Mondschein durch samtenes Wasser geschwommen
und hast dabei die Nacht entdeckt?

Hast du an Lagerfeuern Geschichten erzählt
und den Frauen zugehört? 

Hast du etwas riskiert? 

Warst du einfallsreich?

Hast du deinen Einfällen die Möglichkeit gegeben,
dich reich zu machen? 

Hast du deine Träume gelebt? 

Bist du neugierig geblieben auf das, was noch kommt?

Dann lass uns gehen...

(Cambra Maria Skadé)



Today, like every other day, 
we wake up empty
and frightened. 
Don't open the door to the study
and begin reading. 
Take down the dulcimer.

Let the beauty we love 
be what we do.
There are hundreds of ways
to kneel and kiss the ground.

(Rumi)

Samstag, 20. April 2013










When you are old and grey and full of sleep,
And nodding by the fire, take down this book,
And slowly read, and dream of the soft look
Your eyes had once, and of their shadows deep;

How many loved your moments of glad grace,
And loved your beauty with love false or true,
But one man loved the pilgrim soul in you,
And loved the sorrows of your changing face;

And bending down beside the glowing bars,
Murmur, a little sadly, how Love fled
And paced upon the mountains overhead
And hid his face amid a crowd of stars.

(W.B. Yeats)

Freitag, 19. April 2013

Die Herzen sind Sterne,
die im Menschen blühen.
Alle Blumen sind Himmel.
Alle Himmel sind Blumen.
Alle Blumen glühen.
Alle Himmel blühen.
.
Ich spreche kleine, alltägliche Sätze
leise für mich hin.
Um mir Mut zu machen,
um mich zu verwirren,
um das große Leid, die Hilflosigkeit,
in der wir leben, zu vergessen,
spreche ich kleine, einfältige Sätze.
.
Die Meere sind Blumen.
Die Wolken sind Blumen.
Die Sterne sind Blumen,
die im Himmel blühen.
Der Mond ist eine Blume.
Der Mond ist aber auch eine grosse Träne.

(Hans Arp)
"Alltag ist nur durch Wunder erträglich."

(Max Frisch)

Mittwoch, 17. April 2013



Du musst mit dem Obstbaum reden.
Erfinde eine neue Sprache,
die Kirschblütensprache,
Apfelblütenworte,
rosa und weiße Worte,
die der Wind
lautlos
davonträgt.

Vertraue dich dem Obstbaum an
wenn dir ein Unrecht geschieht.

Lerne zu schweigen
in der rosa
und weissen Sprache.

(Hilde Domin)





Dienstag, 16. April 2013

Wenn es so ist, 
dass der Tag in die Nacht fällt,
dann muss es einen Brunnen geben , 
der die Helle birgt.

Es bleibt, sich an den Rand 
des dunklen Wassers zu setzen
und gefallenes Licht zu fischen
mit Geduld.

(Pablo Neruda)

-------------------------------------------------------------

if each day falls
inside each night
there exists a well
where clarity is imprisoned.

we need to sit on the rim
of the well of darkness
and fish for fallen light
with patience.

(Pablo Neruda)


Montag, 15. April 2013







Go down to your deep old heart, 
and lose sight of yourself.
And lose sight of me, 
the me whom you turbulently loved.
Let us lose sight of ourselves, 
and break the mirrors.
For the fierce curve of our lives 
is moving again to the depths out of sight, 
in the deep living heart.

(D.H. Lawrence)

Sonntag, 14. April 2013

Mehr als Gedichte wiegt, wie wir zusammen leben,
vereint in einem Dasein Tag und Nacht:
So brennt ein Licht, von Schatten rings umgeben,
die es doch heller durch sein Leuchten macht.

Wohl sind wir Tiere, die sich selbst dressieren,
kurzfristiger Bestand aus Fleisch und Bein
und doch: Das eine Leben, das wir beide führen,
für tausend reichte es zum Glücklichsein.

(Günter Kunert)



Of Being

I know this happiness
is provisional

the looming presence
great suffering, great fear 

withdraw only
into peripheral vision

but ineluctable this shimmering
of wind in the blue leaves

this flood of stillness
widening the lake of sky

this need to dance,
this need to kneel
                           
this mystery

(Denise Levertov )

Samstag, 13. April 2013









When Women Were Birds

Once upon a time,
When women were birds,
There was the simple understanding 
That to sing at dawn
And to sing at dusk
Was to heal the world through joy.
The birds still remember what we have forgotten, 
That the world is meant to be celebrated.

(Terry Tempest Williams)

Freitag, 12. April 2013

Donnerstag, 11. April 2013

Look, the trees
are turning
their own bodies
into pillars

of light,
are giving off the rich
fragrance of cinnamon
and fulfillment,

the long tapers
of cattails
are bursting and floating away over
the blue shoulders

of the ponds,
and every pond,
no matter what its
name is, is

nameless now.
Every year
everything
I have ever learned

in my lifetime
leads back to this: the fires
and the black river of loss
whose other side

is salvation,
whose meaning
none of us will ever know.
To live in this world

you must be able
to do three things:
to love what is mortal;
to hold it

against your bones knowing
your own life depends on it;
and, when the time comes to let it go,
to let it go.

(Mary Oliver)

Mittwoch, 10. April 2013

Sozusagen grundlos vergnügt

Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen
Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
– Daß Amseln flöten und daß Immen summen,
Daß Mücken stechen und daß Brummer brummen.
Daß rote Luftballons ins Blaue steigen.
Daß Spatzen schwatzen. Und daß Fische schweigen.

Ich freu mich, daß der Mond am Himmel steht
Und daß die Sonne täglich neu aufgeht.
Daß Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem. Daß ich bin.

In mir ist alles aufgeräumt und heiter:
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
– Weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, daß ich mich an das Schöne
Und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Daß alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freue mich, daß ich ... Daß ich mich freu.

(Mascha Kaléko)


Dienstag, 9. April 2013

Gleichgewicht

Wir gehen 
jeder für sich
den schmalen Weg 
über den Köpfen der Toten
- fast ohne Angst -
im Takt unsres Herzens,
als seien wir beschützt,
solange die Liebe nicht aussetzt.

So gehen wir
zwischen Schmetterlingen und Vögeln 
in staunendem Gleichgewicht
zu einem Morgen von Baumwipfeln
- grün, gold und blau -
und zu dem Erwachen 
der geliebten Augen.
im Takt      

(Hilde Domin)

Montag, 8. April 2013

The Little Things

It really is the little things 
That mean the most of all.
The "let me help you with that" things 
That may seem very small 
The "I'll be glad to do it" things 
That make your cares much lighter, 
The "laugh with me, it's funny" things 
That make your outlook brighter... 

The "never mind the trouble" things, 
The "yes, I understand," 
The interest and encouragement 
In everything you've planned 
It really is the little things, 
The friendly word or smile, 
That add such happiness to life 
And make it more worth while. 

(Mary Dawson Hughes)

The sky is grey The sand is grey And the ocean is grey
And I feel right at home In this stunning monochrome Alone in my way
I smoke and I drink And every time I blink I have a tiny dream
But as bad as I am I'm proud of the fact That I'm worse than I seem
What kind of paradise Am I looking for? I've got everything I want
And still I want more Maybe some tiny shiny key Will wash up on the shore

Sonntag, 7. April 2013

Wo ist der Freund
der meine Spur in Blumengärten sucht,
dort
wo im Winde nur die Türe ächzt
die ich beim Fortgehn
ach
vergass zu schließen.

(Paula Ludwig)

Samstag, 6. April 2013




















An einen Freund


Der unverbrauchte Tag will bitter werden –
nimm deine Gedanken nicht zurück,
doch spare sie auf
und versuche zu reden
von leichteren Dingen,
vielleicht von der Eiszeit,
die unsere Enkel erwartet
und von der Freundlichkeit
weniger unter Wölfen.
Dann lass uns verständig schweigen.

(Peter Härtling)

Freitag, 5. April 2013