.

.

Dienstag, 8. Januar 2013

Sprachlos


Erst kennt man sich mit den Worten nicht aus
Und später nicht mehr mit dem Leben.
Noch immer ist es das selbe Haus.
Doch nun sieht man den Abgrund daneben.

Also wie sich halten? Von Tag zu Tag
Seine Pflicht tun. Doch was ist die Pflicht?
Wir sind nicht mehr sicher. Wir urteilen zag.
Und was kommt, das wissen wir nicht.

Von Altersweisheit keine Spur.
Der Sinn ist nicht zu verstehen.
Eine kleine Güte. Ein Lächeln nur.
Und einfach weitergehen.

(Eva Strittmatter)

Montag, 7. Januar 2013







I believe in everything until it's disproved. 
So believe in fairies, the myths, dragons. 
It all exists, even if it's in your mind. 
Who's to say that dreams and nightmares 
aren't as real as the here and now? 

(John Lennon)

Verschneit der Weg,
Vom Wind verweht.
Wegweiser stehn und weisen,
Wo meine Strasse geht.
So still der Wald,
In weissen Schleiern
Still und kalt.
Schneeflocken wehen durch die Luft –
Kein Menschenlaut,
Kein Vogel ruft.
Der Schnee webt mir ein weisses Kleid,
Ich wandre still, ich wandre weit,
Mag keinen Weiser am Wege sehn,
Mag meine eigene Strasse gehn
Im weissen Winterfrieden.

 (Thekla Lingen)

Sonntag, 6. Januar 2013

Winter



Ich werde den Ahorn wiederfinden.
Einmal am Ende der Tage
wird es sein, dass ich zu ihm sage:
Ahorn, wo warst du so lang?
Er ist alt und selig geworden,
er nimmt mich in seine Äste,
er wiegt mich im herbstlichen Neste:
Kind, wo warst du so lang?

(Ina Seidel)


Samstag, 5. Januar 2013


The Bodies of Grownups


The bodies of grownups
come with stretchmarks and scars,
faces that have been lived in,
relaxed breasts and bellies,
backs that give trouble,
and well-worn feet:
flesh that is particular,
and obviously mortal.
They also come
with bruises on their hearts,
wounds they can't forget,
and each of them
a company of lovers in their soul
who will not return
and cannot be erased.
And yet I think there is a flood of beauty
beyond the smoothness of youth;
and my heart aches for that grace of longing
that flows through bodies
no longer straining to be innocent,
but yearning for redemption.

(Janet Morely)

Freitag, 4. Januar 2013



“und NICHTS gerät

im Alphabet der ANGST

so hundeköpfig plump

und gleichzeitig EIDECHSIG zart

wie die Gegenwart”


(Herta Müller)


Regen

Der Regen geht als eine alte Frau
mit stiller Trauer durch das Land.
Ihr Haar ist feucht, ihr Mantel grau,
und manchmal hebt sie ihre Hand

und klopft verzagt an Fensterscheiben,
wo die Gardinen heimlich flüstern.
Das Mädchen muss im Hause bleiben
und ist doch grade heut so lebenslüstern!

Da packt der Wind die Alte bei den Haaren,
und ihre Tränen werden wilde Kleckse.
Verwegen lässt sie ihre Röcke fahren
und tanzt gespensterhaft wie eine Hexe!

(Wolfgang Borchert)

Donnerstag, 3. Januar 2013

STARFISH

This is what life does. It lets you walk up to
the store to buy breakfast and the paper, on a
stiff knee. It lets you choose the way you have
your eggs, your coffee. Then it sits a fisherman
down beside you at the counter who says, Last night
the channel was full of starfish. And you wonder,
is this a message, finally, or just another day?

Life lets you take the dog for a walk down to the
pond, where whole generations of biological
processes are boiling beneath the mud. Reeds
speak to you of the natural world: they whisper,
they sing. And herons pass by. Are you old
enough to appreciate the moment? Too old?
There is movement beneath the water, but it
may be nothing. There may be nothing going on.

And then life suggests that you remember the
years you ran around, the years you developed
a shocking lifestyle, advocated careless abandon,
owned a chilly heart. Upon reflection, you are
genuinely surprised to find how quiet you have
become. And then life lets you go home to think
about all this. Which you do, for quite a long time.

Later, you wake up beside your old love, the one
who never had any conditions, the one who waited
you out. This is life's way of letting you know that
you are lucky. (It won't give you smart or brave,
so you'll have to settle for lucky.) Because you
stopped when you should have started again.

So life lets you have a sandwich, and pie for your
late night dessert. (Pie for the dog, as well.) And
then life sends you back to bed, to dreamland,
while outside, the starfish drift through the channel,
with smiles on their starry faces as they head
out to deep water, to the far and boundless sea.

(Eleanor Lerman)

Mittwoch, 2. Januar 2013


Eine Neujahrsansprache


Jeder Mensch höre auf sein Gewissen! Das ist möglich. Denn er besitzt eines. Diese Uhr kann man weder aus Versehen verlieren noch mutwillig zertrampeln. Diese Uhr mag leiser oder lauter ticken – sie geht stets richtig.
Nur wir gehen manchmal verkehrt.

Jeder Mensch suche sich Vorbilder! Denn es existieren welche. Und es ist unwichtig, ob es sich dabei um einen großen toten Dichter, um Mahatma Gandhi oder um Onkel Fritz aus Braunschweig handelt, wenn es nur ein Mensch ist, der im gegebenen Augenblick ohne Wimpernzucken das gesagt und getan hätte, wovor wir zögern. Das Vorbild ist ein Kompass, der sich nicht irrt und uns Weg und Ziel weist.

Jeder Mensch gedenke immer seiner Kindheit! Das ist möglich. Denn er hat ein Gedächtnis. Die Kindheit ist das stille, reine Licht, das aus der eigenen Vergangenheit tröstlich in die Gegenwart und Zukunft hinüberflutet. Sich der Kindheit wahrhaft erinnern, das heißt: plötzlich und ohne langes Überlegen wieder wissen, was echt und falsch, was gut und böse ist. Die meisten vergessen ihre Kindheit wie einen Schirm und lassen sie irgendwo in der Vergangenheit stehen. Und doch können nicht vierzig, nicht fünfzig spätere Jahre des Lernens und Erfahrens den seelischen Feingehalt des ersten Jahrzehnts aufwiegen. Die Kindheit ist unser Leuchtturm.

Jeder Mensch erwerbe sich Humor! Das ist nicht unmöglich. Denn immer und überall ist es einigen gelungen. Der Humor rückt den Augenblick an die richtige Stelle. Er lehrt uns die wahre Größenordnung und die gültige Perspektive. Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selber bescheiden. Das ist viel.
Bevor man das Erb- und Erzübel, die Eitelkeit, nicht totgelacht hat, kann man nicht beginnen, das zu werden, was man ist: ein Mensch.“

(Erich Kästner)

Dienstag, 1. Januar 2013



“I hope that in this year to come, you make mistakes.

Because if you are making mistakes, then you are making new things, trying new things, learning, living, pushing yourself, changing yourself, changing your world. You're doing things you've never done before, and more importantly, you're doing something.

So that's my wish for you, and all of us, and my wish for myself. Make new mistakes. Make glorious, amazing mistakes. Make mistakes nobody's ever made before. Don't freeze, don't stop, don't worry that it isn't good enough, or it isn't perfect, whatever it is: art, or love, or work, or family, or life.

Whatever it is you're scared of doing, do it.

Make your mistakes, next year and forever.” 

(Neil Gaiman)

Montag, 31. Dezember 2012


Die Zeit verrinnt,
die Spinne spinnt in heimlichen Geweben.
Wenn heute Nacht das Jahr beginnt,
beginnt ein neues Leben.

(Joachim Ringelnatz)

Neues Jahr


Sonntag, 30. Dezember 2012

Things to Think


Think in ways you've never thought before.
If the phone rings, think of it as carrying a message
Larger than anything you've ever heard,
Vaster than a hundred lines of Yeats.

Think that someone may bring a bear to your door,
Maybe wounded and deranged; or think that a moose
Has risen out of the lake, and he's carrying on his antlers
A child of your own whom you've never seen.

When someone knocks on the door,
Think that he's about
To give you something large: tell you you're forgiven,
Or that it's not necessary to work all the time,
Or that it's been decided that if you lie down no one will die.

(Robert Bly)


Samstag, 29. Dezember 2012

Gedicht


Ich möchte gern ein kurzes Gedicht schreiben
eins mit vier fünf Zeilen
nicht länger
ein ganz einfaches
eins das alles sagt über uns beide
und doch nichts verrät
von dir und mir.

(Jürgen Theobaldy)

Freitag, 28. Dezember 2012

Die Hoffnung


Die Hoffnung geht barfuss
durch die Welt. Sie ist schon
angekommen, wenn wir gerade
aufbrechen. Wir müssen
ihr entgegen gehen, und
sie stützen, damit sie nicht
zusammenbricht. Wir
müssen immer wieder
ihre wunden Füsse heilen. Wohin
sie auch geht, sie kehrt
zum Ende zurück, das
wir für den Anfang hielten

(Franz Hodjak)

Donnerstag, 27. Dezember 2012





Meine Worte gehorchen mir nicht
Kaum hör ich sie wieder mein Himmel
Dehnt sich will deinen erreichen
Bald wird er zerspringen ich atme
Schon kleine Züge mein Herzschlag
Ist siebenfach geworden schickt unaufhörlich
Und kaum verschlüsselte Botschaften aus

(Sarah Kirsch)