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Samstag, 30. Mai 2015

Auswendig lernen möchte ich dich
wie ein Gedicht
Immer wieder lesen
Silbe für Silbe Wort für Wort
zwischen den Zeilen
strophenlang jahrelang lebenslang
dich buchstabieren
mit dem Gaumen des Herzens

(Ulla Hahn)

Mittwoch, 27. Mai 2015

wenn der wind zur ruhe kommt
kommt die stille zurück

da kannst du sie hören

ganze tage. wie sie untergehen
sonderbare sommermorgen
halbherzige abschiede
ungelebte lieben

da kannst du sie hören
wie sie im meer
versinken


(Rea Revekka Poulharidou)

Samstag, 23. Mai 2015

When they ask to see your gods
your book of prayers
show them lines
drawn delicately with veins
on the underside of a bird’s wing
tell them you believe
in giant sycamores mottled
and stark against a winter sky
and in nights so frozen
stars crack open spilling
streams of molten ice to earth
and tell them how you drink
a holy wine of honeysuckle
on a warm spring day
and of the softness
of your mother who never taught you
death was life’s reward
but who believed in the earth
and the sun
and a million, million light years
of being

(J.L.Stanley)

Mittwoch, 20. Mai 2015

Der Ausweg

Es gibt ihn nicht immer,
aber immerhin
öfter, als du gedacht hast.
Natürlich nur dann,
wenn du am Ende bist,
findest du sie,
die schmale heimliche Stelle,
das Schlupfloch, die Hintertür.
Auf der anderen Seite
stehst du geblendet im Freien.
Kaum zu glauben:
an diesem frisch gestrichenen Tag
steht die Geschichte still,
die alte Geschichte.
Niemand brüllt.
Bis zum nächsten Mal.

(Hans Magnus Enzensberger)

Dienstag, 19. Mai 2015


denn eigentlich mag man 
die kleinen dinge:

dass alles noch so aussieht 
wie als man eingeschlafen ist

der geruch des bettbezugs 
und die wärme darunter

wie der linke fuss den rechten berührt, die beine einander

der ersten luftzug am morgen
der durch das geöffnete fenster strömt

der blick hinaus - drei vögel 
im baum und zwei in der luft -

diese fünf und ich
in der morgendämmerung

alle sechs ohne jede ahnung
was der tag bringen wird

(Freitag ist Rosa)

Sonntag, 17. Mai 2015


Auf meinen Wänden 
blühen Bilder 
Poeten dichten 
im Regal 
Ich schaue, lese 
spreche mit den 
schaffenden Gefährten 
Mein kleines Zimmer 
ist ein Riesenreich 
Nicht herrschen will ich 
dienen.

(Rose Ausländer)

Donnerstag, 7. Mai 2015


Home


Räuberin

Als ich zu dir kam war ich
freundlich und leise
die Erinnerung an ein Mädchen
laut stark und heftig
grub ich mit deinen Fragen aus
vor der Leisetreterin gab es eine
Räuberin Räuberin
mutig und wild

Als ich zu dir kam
vermochte ich nicht zu sprechen
ich war im Zimmer ich sass amTisch
erschrak zu Tode wenn ich mich
äussern sollte von
innen nach aussen kannte ich
keinerlei Wege

(Verena Stefan)

Sonntag, 3. Mai 2015

Samstag, 2. Mai 2015

Auch das

Ratlosigkeit ist gut. 
Verlieren ist gut. 
Versäumnis ist gut. 
Verkehrte Wege wählen ist gut. 
Nicht weiter wissen ist gut. 
Sich leer fühlen ist gut. 
Auch das ist ein volles Leben.

(Walter Helmut Fritz)

Freitag, 1. Mai 2015

Erzähl mir
deine Träume
Ich möchte sie deuten
dir sagen
wie tief du vergangen bist
im Weltraum
wie sich auftun wird
deine Zukunft
an der alle Sterne
teilhaben
Verbundenheit
dies herzliche Geheimnis.

(Rose Ausländer)
Das Gedicht steht
in dem Buch?
Schlag auf, lies.
Gut, es hält
einen Augenblick still.
Aber dann?
Siehst du nicht,
wie es sich rührt,
die Seite verlässt,
schwebt, fliegt
und allmählich
unsichtbar wird,
ehe es sich
in dir niederlässt?

(Walter Helmut Fritz)

Donnerstag, 30. April 2015

Dienstag, 28. April 2015


You will swallow
a thousand
different names
before you taste
the meaning
held within your own

(Maza-Dohta)

Montag, 27. April 2015

Unterwegs

Von Herberge zu Herberge
Vergessenheit.
Der eigene Name
wird etwas Fremdes.

Deine Mutter
lebt nirgendwo,
ist längst dein Kind geworden,
das du nicht gebierst.

Und dass dich einer liebt,
dass man dich anders lieben kann
als im Vorübergehn,
das nimmt dich wunder. 

(Hilde Domin)

gerade gestern dachte ich
wie schwer doch alles sei

dabei ist alles nur ein wimpernschlag
nur ein wimpernschlag

(Otto Lenk)

Donnerstag, 23. April 2015

Auch darum

Damit die Fünf oder Sechs,
denen an uns liegt,
nicht sehen, wie wir verzagen.
Damit Sorge getragen wird
wenigstens für ihren allernötigsten
Vorrat an Mut
auch darum
dürfen wir nicht aufgeben.

(Rainer Malkowski)

Montag, 20. April 2015


Lied der Amsel

Flieg mit mir hinauf 
auf diesen Ast und schau 
auf dich hinunter; 
Auf dich in den Blumen 
auf dich in den Steinen 
im Gras am Wasser 
auf dich unterm Baum 
Du hier oben und 
du da unten: 
Das ist alles. 

(Ulla Hahn)

Sonntag, 19. April 2015

Frühlingswald


Schön zu sehen

Die Lust, mit der einer geht,
wenn der Regen aufgehört hat.

Der Ernst, mit dem ein junger Mann
über sein Mädchen spricht.

Schwäne, fliegend.

Der Ausdruck der Furchtlosigkeit
in Augen, die wir lieben.

Die nach allen Seiten entwickelte Krone
eines freistehenden Baums.

(Rainer Malkowski)