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Montag, 31. Oktober 2011

"nichts war zu spät / aber vieles zu früh...."

Dein sicherer Gang, deine wahren Gedichte,
deine heitere Würde, dein unerschütterliches Geschick.
Du hast der Fügung deine Stirn geboten.
Hast ihn nie verraten deinen Plan vom Glück

Sonntag, 30. Oktober 2011

herbst

herbst sagst du aber ich sage dir
nicht oktober nicht november
du musst einen neuen kalender erfinden
ein andres alphabet
eine sprache die einhalt gebietet
denn die zeit fällt
fällt ins unabsehbare
und wir fallen mit ihr


(rose ausländer)

Freitag, 28. Oktober 2011

Mein Haus sagte zu mir:
"Verlaß mich nicht, denn hier wohnt deine Vergangenheit".
Und die Straße sagte zu mir:
"Komm und folge mir, denn ich bin deine Zukunft".
Und ich sage zu beiden, zu meinem Haus und zu der Straße:
"Ich habe weder Vergangenheit, noch habe ich Zukunft.
Wenn ich hier bleibe, ist ein Gehen in meinem Verweilen;
und wenn ich gehe, ist ein Verweilen in meinem Gang.
Nur Liebe und Tod ändern die Dinge."

(Kahil Gibran)

nach oben!

Montag, 24. Oktober 2011


Was von uns verlangt wird, ist, daß wir das Schwere lieben und mit dem Schwere umgehen lernen.         
Im Schweren sind die freundlichen Kräfte, die Hände, die an uns arbeiten. Mitten im Schweren sollen wir unsere Freuden haben, unser Glück, unsere Träume: da; vor der Tiefe dieses Hintergrunds, heben sie sich ab, da sehen wir erst, wie schön sie sind.
Und nur im Dunkel der Schwere hat unser kostbares Lächeln einen Sinn; da leuchtet es erst mit seinem tiefen, träumenden Licht, und in der Helligkeit, die es für einen Augenblick verbreitet, sehen wir Wunder und Schätze, von denen wir umgeben sind.

(Rainer Maria Rilke)

Sonntag, 23. Oktober 2011

Samstag, 22. Oktober 2011

Most people are other people
Their thoughts are someone else’s opinions
Their lives a mimicry
Their passions a quotation.

 (Oscar Wilde)


Donnerstag, 20. Oktober 2011

Noch nicht und nicht mehr

Wir hängen dazwischen.
Altes ist leer geworden.
Worte und Gesten betreffen uns nicht mehr.

Wir warten. Wir überlegen.
Wir sind unsicher. Wir ahnen.

Das Neue ist noch nicht da.
Vorsichtig hat es sich angedeutet.
Es hat noch keinen Namen.
Unsere Vorstellungen sind noch zu eng.
Müdigkeit ist unser gefährlichster Feind,
und die Mutlosigkeit begleitet uns
wie ein ständiger Schatten.

Ich will Altes loslassen,
um wieder Neues umarmen zu können.
Und auch das will ich wieder loslassen,
in einer ständigen Entwicklung
auf meinen Ursprung zu,
auf die Vollkommenheit,
aus der ich komme und zu der ich gehe.

(Ulrich Schaffer)

Fragen und Antworten


Wo sie wohnt?
Im Haus neben der Verzweiflung.
Mit wem sie verwandt ist?
Mit dem Tod und der Angst.
Wohin sie gehen wird
wenn sie geht?
Niemand weiß das.

Von wo sie gekommen ist?
Von ganz nahe oder ganz weit.
Wie lange sie bleiben wird?
Wenn du Glück hast
solange du lebst.
Was sie von dir verlangt?
Nichts oder alles.

Was soll das heißen?
Daß das ein und dasselbe ist.

Was gibt sie dir
- oder auch mir - dafür?
Genau soviel wie sie nimmt
Sie behält nichts zurück.
Hält sie dich
- oder mich - gefangen
oder gibt sie uns frei?
Es kann uns geschehen
daß sie uns Freiheit schenkt.
Frei sein von ihr
ist das gut oder schlecht?
Es ist das Ärgste
was uns zustoßen kann.

Was ist sie eigentlich
und wie kann man sie definieren?
Es heißt daß Gott gesagt hat
daß er sie ist.

(Erich Fried)



Danke, liebe Gabi, für dieses wunderbare Gedicht!

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Die schwersten Wege werden allein gegangen.
Die Enttäuschung, der Verlust,
das Opfer sind einsam.
Alle Vögel schweigen.
Man hört nur den eigenen Schritt,
den der Fuß noch nicht gegangen ist,
aber gehen wird.
Stehenbleiben und Umdrehen hilft nicht.
Es muss gegangen sein.

(Hilde Domin)

Wer Schmetterlinge lachen hört.....


Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.
Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Stier, zum Narr, zum Weisen
und kann in einer Stunde,
durchs ganze Weltall reisen.
Wer in sich fremde Ufer spürt,
und den Mut hat, sich zu recken,
der wird allmählich,
ungestört von Furcht,
sich selbst entdecken.
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.
Wer mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genau so sterben,
und ist selbst dann
lebendiger als alle seine Erben.

(Novalis)
Ring the bells that can still ring
Forget your perfect offering
There is a crack in everything
That's how the light gets in
              
(Leonard Cohen)

Montag, 17. Oktober 2011



Der nächste Schritt ist immer fällig. Man weiß ihn genau.
Wenn du ihn tust, wirst du dadurch, dass du erlebst, wie du ihn dir zugetraut hast, auch Mut gewinnen. Während du ihn tust, brichst du nicht zusammen, sondern fühlst dich gestärkt.

Es gibt nicht nur die Gefahr, dass du zuviel riskierst, es gibt auch die Gefahr, dass du zu wenig riskierst.

Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füsse.


(Martin Walser)

Stimme des anderen Tages



Wanderung, Wandlung, dieses

Eine ist gewiss:

Die Gärten des Paradieses,

die Täler der Finsternis

sind nicht so weit entfernte

Länder wie wir geglaubt,

und nicht jeder Ernte

stehen wir beraubt.


Tief in der Unrast Zonen,

eh wir die Furche ziehen,

ehe wir bauen und wohnen,

gehen wir so dahin

fast wie ungeboren

fast wie ohne Schuld,

keinem Ding verschworen,

wartend in Geduld ...

Und lauschen der Stimme des andern

Tages, der in uns beginnt

und hören nicht auf zu wandern,

bis wir verwandelt sind.


(Marie-Luise Kaschnitz)

Sonntag, 16. Oktober 2011


"Wäre es uns möglich, weiter zu sehen, als unser Wissen reicht... vielleicht würden wir dann unsere Traurigkeiten mit größerem Vertrauen ertragen als unsere Freuden. Denn sie sind die Augenblicke, da etwas Neues in uns eingetreten ist, etwas Unbekanntes; unsere Gefühle verstummen in scheuer Befangenheit, alles in uns tritt zurück, es entsteht eine Stille und das Neue, das niemand kennt, steht mitten darin und schweigt."

(R.M. Rilke)

Samstag, 15. Oktober 2011


Die Sterne
zu meiner Linken
begleiten mich auf
dem Wege
des Abschieds
Sie lächlen leise
und sagen mir
sanfte Worte
ins Ohr:
Abschied ist Wiederkehr
Und nichts ist
für immer.

(Ju Sobing)

Freitag, 14. Oktober 2011

federleicht


leicht will ich werden
liebste
federleicht
dann kann ich dich
fliegen lassen
und wir werden beide
unsere eigenen kreise ziehn
wie zwei adler
hoch überm dunst der täler
und kehren doch zurück
zum anderen
wenn es abend wird.

(franz hohler)

Storms

There will be storms, child
There will be storms
And with each tempest
You will seem to stand alone
Against cruel winds
But with time, the rage and fury
Shall subside And when the sky clears
You will find yourself
Clinging to someone
You would have never known
But for storms.

(Margie DeMerell)

am ende des tages
die sich aufdrängende frage
nach geleistetem
ich überhöre sie
und sehe darüber hinweg
ich sehe
was ich sehe
ist nicht beschreibbar
nicht in worte zu fassen
nur annäherung
wie immer wenn ich schreibe

(Marc Stadelmann)

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Wann ist es wirklich aus?
Was ist das wahre Ende?
Alle Grenzen sind
wie mit einem Stück Holz
oder einem Schuhabsatz
in die Erde gezogen.

Bis dahin....
hier ist die Grenze.
Alles das ist künstlich.
Morgen spielen wir
ein anderes Spiel.

(Franzisco Tanzer)


the laughing heart

your life is your life
don’t let it be clubbed into dank submission.
be on the watch.
there are ways out.
there is a light somewhere.
it may not be much light but
it beats the darkness.
be on the watch.
the gods will offer you chances.
know them.
take them.
you can’t beat death but
you can beat death in life, sometimes.
and the more often you learn to do it,
the more light there will be.
your life is your life.
know it while you have it.
you are marvelous
the gods wait to delight
in you.


(Charles Bukowski)

Dienstag, 11. Oktober 2011

Nicht müde werden

Du bist stark
sagen sie
Du hast viel Kraft
sagen sie
auf der Suche
nach meiner Stärke und Kraft
begegnete ich
meiner Angst und Verwirrung
meinem Neid und Hass
meiner Armut und Verzweiflung
meinen Tränen und Wunden
vergeblich suchte ich nach
meiner Stärke und Kraft
da setzte ich mich zu
meiner Angst und Verwirrung
meinem Neid und Hass
meiner Armut und Verzweiflung
meinen Wunden und Tränen
und versuchte sie
anzusehen und
hineinzuspüren und
auszuhalten und
zu verstehen
und manchmal zeigte ich
ein wenig von
meiner Angst oder Verwirrung
meinem Neid oder Hass
ich sprach von meiner Armut oder Verzweiflung
meinen Wunden oder Tränen
du bist stark
wiederholten sie
du hast viel Kraft
wiederholten sie
und ganz langsam
fing ich an zu begreifen

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise wie einem Vogel
die Hand hinhalten.


(Hilde Domin)

Hoffnung



Was tun wenn die Nacht
sich dir in die Arme wirft
Sturm sich in ihre
Arme wirft
Leere
weit wie die Welt


Weltweites Auge aller Sterne
geschlossen
Wind hält in Atem
die Nacht

Halte den Atem an
bis die Nacht
dich in die Arme legt
dem Morgen


(Rose Ausländer)

Sonntag, 9. Oktober 2011

 dann müssen wir
mehr als die anderen
den boden unter den füssen fühlen
während wir gehen
diesen kurzen boden
von morgen zu abend

wir müssen dünne sohlen tragen
oder barfuss gehen
was wir berühren
mit leichtem finger berühren
mit wachen fingerspitzen
nicht achtlos

jedes mal ist das letzte
oder könnte es sein
wir tun es für alle die vor uns waren
und für alle die nach uns
es nicht tun
oder ganz anders

(hilde domin)

Samstag, 8. Oktober 2011


Immer ein Stück
sich selbst voraus sein
auf den Wegen voran
Wandlungen begegnen
wie Freunden
Veränderungen begrüßen
wie den Wandel der Jahreszeiten
dem Rhythmus
dem Kreis nachspüren
dem Lauf der Flüsse ins Meer

(Annemarie Schnitt )

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Am Ende meines Weges


Am Ende meines Weges ist ein tiefes Tal.

Ich werde nicht weiter wissen.

Ich werde mich niedersetzen und

verzweifelt sein.


Ein Vogel wird kommen und über das Tal

fliegen, und ich werde wünschen,

ein Vogel zu sein.


Eine Blume wird leuchten jenseits

des Abgrundes, und ich werde wünschen,

eine Blume zu sein.


Eine Wolke wird über den Himmel ziehen,

und ich werde eine Wolke sein wollen.


Ich werde mich selbst vergessen.

Dann wird mein Herz leicht werden

wie eine Feder, zart wie eine Margerite,

durchsichtig wie der Himmel.


Und wenn ich dann aufblicke,

wird das Tal nur ein kleiner Sprung sein

zwischen Zeit und Ewigkeit.


Indianische Weisheit

Mittwoch, 5. Oktober 2011


Wenn wir genau hinsehen

gehen Lichtlinien

durch die Finsternisse

und das Schweigen


unseres Lebens

Und gelegentlich

sammelt sich das Licht

zu kleinen Lichtpfützen


auf denen es möglich ist

zu segeln

in das alltäglich Leben hinein

oder aus ihm fort

in die Welten

die es noch zu entdecken gibt


(U. Schaffer)

Dienstag, 4. Oktober 2011



Ich sammle
meine Verluste
in einer Schale
sie blühen schwarz
wie Mohnduft
in mein Niemandsland.

(Rose Ausländer)

Montag, 3. Oktober 2011


Es gibt ein Gesetz im Leben,
dass, wenn sich eine Tür schließt,
eine andere sich auftut.
Wenn aber die Türen

durch die wir im Leben gegangen sind,
sich schließen, eine nach der anderen,
dann lösen sich die Wände vor unseren Augen auf,
und die Welt wird gross.
Das Licht einer anderen Wirklichkeit liegt über ihr,
und unser Weg fängt noch einmal an.

(Jörg Zink)

Sonntag, 2. Oktober 2011

 
wer, wenn nicht diejenigen unter ihnen,
die ein schweres los getroffen hat,
könnte besser bezeugen,
dass unsere kraft weiter reicht als unser unglück,
dass man, um vieles beraubt,
sich zu erheben weiss
dass man enttäuscht,
und das heisst,
ohne täuschung
zu leben vermag
 
(Ingeborg Bachmann)

Samstag, 1. Oktober 2011

"Und manchmal, während wir so schmerzhaft reifen, dass wir beinahe daran sterben, erhebt sich aus allem, was wir nicht begreifen, ein Gesicht und sieht uns strahlend an."

(Rainer Maria Rilke)