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Sonntag, 1. September 2013

Glück und Unglück

Glück und Unglück, 
die rasch uns und überwältigend treffen, 
sind sich im Anfang, 
wie Hitze und Frost bei jäher Berührung, 
kaum unterscheidbar nah.

Wie Meteore 
aus überirdischer Ferne geschleudert, 
ziehen sie leuchtend und drohend die Bahn 
über unseren Häuptern. 
Heimgesuchte stehen betroffen 
vor den Trümmern 
ihres alltäglichen, glanzlosen Daseins.

Gross und erhaben, 
zerstörend, bezwingend, 
hält Glück und Unglück, 
erbeten und unerbeten, 
festlichen Einzug 
bei den erschütterten Menschen, 
schmückt und umkleidet 
die Heimgesuchten 
mit Ernst und mit Weihe.

Glück ist voll Schauer. 
Unglück voll Süße. 
Ungeschieden scheint aus dem Ewigen 
eins und das andre zu kommen. 
Groß und schrecklich ist beides.

Menschen, ferne und nahe, 
laufen herbei und schauen 
und gaffen 
halb neidisch, halb schaudernd, 
ins Ungeheure, 
wo das Überirdische, 
segnend zugleich und vernichtend, 
zum verwirrenden, unentwirrbaren, 
irdischen Schauspiel sich stellt.

Was ist Glück, was Unglück?
Erst die Zeit teilt beide. 
Wenn das unfassbar erregende, 
jähe Ereignis 
sich zu ermüdend quälender Dauer wandelt, 
wenn die langsam schleichende Stunde des Tages 
erst des Unglücks wahre Gestalt uns enthüllt, 
dann wenden die Meisten, 
überdrüssig der Eintönigkeit 
des altgewordenen Unglücks, 
enttäuscht und gelangweilt sich ab.

Das ist die Stunde der Treue, 
die Stunde der Mutter und der Geliebten, 
die Stunde des Freundes und Bruders. 
Treue verklärt alles Unglück 
und hüllt es leise 
in milden, 
überirdischen Glanz.

(Dietrich Bonhoeffer)