Ich wiege die Weisheit des Winters
in meiner Mitte,
die Weisheit der Dunkelheit, die sagt:
Vergiss alles, was du gesehen hast,
so beglückend und schmerzlich es war,
und vertraue dem Unbekannten,
das sich deinem Auge nicht zeigt.
Lerne vom schlafenden Tier in der Höhle,
von der ruhenden Wurzel
und dem wartenden Samen,
lerne von der Langsamkeit der Erde
unter einer hauchdünnen Decke aus Schnee.
Lerne das Atmen ohne Hast,
das Gegenwärtigsein ohne Ziel,
lerne das Vertrauen in die Gerechtigkeit der Zeit,
die jeder Kreatur Tage des Lichts
und der Finsternis schenkt,
Zeiten des Sammelns und des Verlierens,
des Lebens und Vergehens.
Erinnere dich an die Dunkelheit in dir,
an die nach Wagnis und Schmerz
duftenden Wunder, die sie hervorbringt:
ein befreiendes Wort,
gereift in ausgiebigem Schweigen,
das Leuchten einer neuen Idee
über dem Abgrund des Nichtwissens,
die Frucht der Dankbarkeit
auf dem Boden des Wartenkönnens.
Erinnere dich an die innige Berührung,
die sich der Sanftheit der Nacht
und dem blinden Vertrauen verdankt.
Befreunde dich mit der Dunkelheit,
mit deiner treuen Wegbereiterin,
die dich ein Leben lang über die ersehnten
und gefürchteten Schwellen
in die Unerschöpflichkeit des Lebens ruft.
(Giannina Wedde)